Susanna ist ein echter Sonnenschein.
Wir praktizieren beide regelmäßig Yoga. Immer, wenn wir uns im Kursraum begegnen und ich frage „Wie geht’s?“, kommt als Antwort ein strahlendes „Danke, super gut!“ Und das nicht nur, wenn draußen die Sonne scheint oder Susanna gerade aus dem Urlaub zurück ist – sondern I-M-M-E-R. Selbst ein Wasserschaden in der Wohnung und ein damit verbundenes zweiwöchiges Leben auf der Baustelle wird mit einem „Ach was, ist morgen längst wieder vergessen“ quittiert. Mir scheint, als hätte Susanna irgendwann beschlossen, alle Grautöne des Lebens auszublenden und stattdessen auf dauerbunten Optimismus zu schalten.
Nun neige ich definitiv nicht zu Schwermut, Pessimismus und Melancholie. Dennoch frage ich mich: Wie hilfreich ist Optimismus, wenn er zum Dauerzustand erhoben wird?
Mit dieser Frage bin ich nicht allein. Jim Collins schreibt in seinem Buch Good to Great über James Stockdale, einen hochdekorierten Vizeadmiral der US Navy, der sieben Jahre als Kriegsgefangener in einem nordvietnamesischen Gefängnis verbringen musste. Eine traumatische Zeit, die viele seiner Mitgefangenen nicht überlebten. Wie ist es Stockdale gelungen, diese qualvollen Jahre zu überleben? Mit unerschütterlichem Optimismus? – Eben nicht!
Es klingt paradox, aber jene Kriegsgefangenen, die NICHT überlebten, waren tendenziell die Optimisten. Ihr Optimismus zeigte sich darin, dass sie sagten: „Bis Weihnachten kommen wir hier raus.“ Und dann kam Weihnachten und ging wieder … und dann kam Ostern und ging vorbei … dann kam Thanksgiving und dann war wieder Weihnachten … und nichts passierte. Ihr Optimismus wurde immer verzweifelter, die Durchhaltevermögen bröckelte. Irgendwann schlug die unerfüllte Hoffnung in grenzenlose Resignation um.
Hoffnung vs. Optimismus: Der Schlüssel zu einem glücklicheren Leben
Eine etwas weniger düstere Variante dieses Musters zeigte sich während der Pandemie: Wer sich oftmals sehr schwer mit der Situation tat, waren die unerschütterlichen Optimisten. Ihre Enttäuschung war riesig, als sie feststellen mussten, dass ihr Optimismus in Bezug auf ein schnelles Ende immer wieder aufs Neue enttäuscht wurde. Mit der Situation kamen diejenigen besser zurecht, die sich verstärkt auf das konzentrierten, was sie selbst tun konnten, um durchzuhalten. Ihr Weg bestand darin, weder mit unerschütterlichem Optimismus durch die schwierige Zeit zu gehen – noch sich in düsterem Pessimismus zu vergraben. Stattdessen fokussierten sie ihre persönliche Handlungskompetenz darauf, einen Weg zu finden, um mit der Situation konstruktiv umzugehen – ohne die Wirklichkeit zu verzerren. Das ist mit HOFFNUNG gemeint.
Diese augenöffnende Differenzierung macht Harvard-Professor Arthur Brooks in seinem lesenswerten Buch Die Kunst und Wissenschaft des Glücklichseins. Hoffnung vs. Optimismus – was genau macht den Unterschied aus?
Optimismus ist der Glaube, dass sich die Dinge immer zum Guten wenden werden, egal, was man tut („alles wird gut“).
Hoffnung ist der Glaube, dass du selbst etwas tun kannst, um die Situation zu verbessern. Das funktioniert nur, wenn du dir selbst Eigenmacht zugestehst, eine der Superkräfte, über die ich in meinem neuen Buch schreibe („Ich stelle mich der schwierigen Situation und suche gleichzeitig nach einem Weg, um es für mich erträglicher zu machen“).
Die gute Nachricht: Wir können Hoffnung wählen! Während Optimismus zum Teil genetisch bedingt ist, wie Forscher herausgefunden haben, ist Hoffnung eine Entscheidung. Angesichts der riesengroßen Herausforderungen in unserer Welt hat diese Erkenntnis eine riesengroße Bedeutung: Wir sollten weder in grenzenlosen Pessimismus („bringt doch eh alles nichts“), noch in zwanghaften Optimismus („alles wird gut“) verfallen. Um für uns selbst und für andere eine bessere Welt zu schaffen, sollten wir Hoffnung haben. Hoffnung ist etwas, das wir aktiv in unser Leben einbringen können. Wie das gelingt?
Indem du dir
- realistische Ziele setzt
- und ins Handeln kommst
- gleichzeitig flexibel bleibst und alternative Wege entwickelst, falls es auf dem ursprünglich gedachten Weg nicht funktioniert
- an dich selbst glaubst (Ich kann es schaffen).
Hoffnung ist eine innere Haltung, die in der Überzeugung wurzelt, das eigene Leben verändern zu können. Das ist der Mindset, der den entscheidenden Unterschied macht!
In diesem Sinne:
- Wähle Hoffnung statt blinden Optimismus
- Akzeptiere die Realität und suche nach Lösungen
- Glaube an deine Fähigkeit, etwas zu bewirken
- Nutze deine Hoffnung, um die Dinge zum Positiven zu verändern.