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Nicht Produktivitätshacks sind die Lösung, sondern weniger Bullshit

Täglich 50 Tassen Kaffee trinken.

Sich eine Halbglatze rasieren lassen.

Eine Assistentin engagieren, deren einzige Aufgabe es ist, Ohrfeigen auszuteilen

Klingt total gaga?

Menschen tun bizarre Dinge, um ihre Produktivität zu steigern.

  • Angeblich trank Honoré de Balzac bis zu 50 Tassen Kaffee am Tag (!), während er seiner Berufung, dem Schreiben, nachging. Unbestritten ist, dass er einer der produktivsten Autoren nicht nur seiner Zeit, sondern aller Zeiten war. Er schrieb oft 15 Stunden am Tag.
  • Demosthenes, der Staatsmann und bedeutendste Redner des antiken Athen, ließ sich die Hälfte seiner Haare abrasieren, damit es ihm zu peinlich war, in die Öffentlichkeit zu gehen. Bis die rasierten Stellen nachwuchsen, war er gezwungen, im Haus zu bleiben, sich zu konzentrieren und seine Rhetorik zu verbessern.
  • Maneesh Sethi, ein Blogger aus San Francisco, hat eine Assistentin angeheuert, die ihm jedes Mal eine Ohrfeige gab, wenn er Facebook öffnete. „Ich brauche jemanden, der neben mir sitzt und das beobachtet, was auf meinem Bildschirm passiert. Wenn ich Zeit verschwende, musst du mich anschreien oder mir notfalls eine Ohrfeige geben“, schrieb er auf Craigslist, wo er besagten Assistentenjob ausgeschrieben hatte. Das Experiment steigerte nach seiner Einschätzung seine Produktivität von 35 – 40 Prozent auf 98 Prozent.

Äußerst rabiate Methoden, um Ablenkungen zu vermeiden und die Produktivität zu steigern – und definitiv nicht zur Nachahmung empfohlen! Das gilt insbesondere für Balzacs Kaffeekonsum, auch wenn so manche(r) der Überzeugung ist, alles unter einem halben Liter Kaffee sei nur Mundspülung.

Nicht mehr Produktivitätshacks, sondern weniger Bullshit

Das Internet ist voller Methoden, die versprechen, dich produktiver zu machen.

Aber bei was denn eigentlich?

Indem man möglichst viele Arbeitseinheiten in eine vorgegebene Zeitspanne packt?

Wir brauchen nicht mehr Produktivitätshacks, sondern weniger Bullshit!

Es ist blödsinnig und ungesund, jeden Moment mit Beschäftigung auszufüllen.

Das Gegenteil ist spannend: Was kann ich weglassen?

Für mich bedeutet diese Erkenntnis, dass ich nicht nur eine To-Do-Liste brauche, sondern auch eine To-Don‘t-Liste. Ich muss definieren, was ich NICHT will, damit das, was ich wirklich will, umso mehr Raum bekommt.

Abgesehen davon, dass es ungeheuer stresst, wenn du Ja sagst obwohl du Nein meinst, beschenkt dich das aufrichtige Nein mit einem Leben, das deinen Prioritäten und deinem eigenen Takt folgt. Niemand kann das für dich übernehmen! Du bist der Experte oder die Expertin für dein Leben – niemand sonst.

Es braucht Konsequenz, diese Dinge nicht nur aufzuschreiben, sondern mit Leben zu füllen. Das ist nicht immer leicht, aber es lohnt sich!

Du fragst dich, was auf meiner Liste steht?

Bitteschön:

Meine To-don’t-Liste

1. Nein zur Perfektion

Mich vom Zwang zur Perfektion zu verabschieden, war ein echter Befreiungsschlag! Ich meine damit nicht, dass ich seitdem nur noch halbgare, fehlerbehaftete Arbeit abliefere. Es geht um etwas anderes: Zu versuchen, unterschiedslos in allem perfekt zu sein, ist blödsinnige Energieverschwendung! Anstatt endlose Anstrengungen in jedes Detail zu stecken, bemühe ich mich lieber, das, was mir wirklich wichtig ist, von dem zu trennen, was weniger wichtig ist.

Dieser Akt des Trennens ist anspruchsvoll. Es ist leicht zu sagen: „Alles muss alles perfekt und großartig sein“. Die Herausforderung liegt darin, herauszufinden, wo „ganz okay“ gut genug ist. Für mich Klarheit darüber zu gewinnen, was all meine Liebe und Fokussierung erfordert und wo es völlig in Ordnung ist, einfach nur „gut genug“ oder „ganz okay“ zu sein, ist eine ebenso wichtige wie beglückende Differenzierung – für meine Arbeit und mein Leben.

2. Nein zum schnellen Ja

Zu vielem – sowohl beruflich wie auch privat – sage ich Nein. Ich kann nicht alles gleichzeitig machen. Ich kann es nicht jedem recht machen. Ich musste lernen, Nein als ein sehr wichtiges Wort in meinen Wortschatz aufzunehmen.

Ein schnelles Ja kommt uns allen schnell über die Lippen. Das ist nett, damit enttäuschst du niemanden und alle haben dich lieb. So hoffst du zumindest. Doch an jedem flotten Ja klebt ein dickes Preisschild: Der Preis ist deine Lebenszeit, die – das nur zur Erinnerung – nicht unendlich ist. Ja zum Job als Elternsprecher in der Schule, Ja zur Anfrage, ob du für den Hilfsbasar am Wochenende einen Kuchen backst, Ja zum Kollegen, der „mal eben kurz“ Unterstützung braucht, weil er Dackel Pauli, den er mit ins Büro bringt, ausgerechnet heute nicht Gassi führen kann. Ein schnelles Ja hat seinen Preis – auch wenn das vielen nicht bewusst ist.

Natürlich hat auch ein Nein seinen Preis. Vielleicht ist der Kollege enttäuscht, dass du nicht mit Pauli spazieren gehst. Vielleicht hält man dich beim Bazaar für faul, weil du keinen selbstgebackenen Kuchen mitbringst, sondern ein paar süße Teilchen in der Bäckerei kaufst. Vielleicht finden die anderen Eltern es uncool, dass du dich ihrem Wunsch widersetzt, Elternsprecher zu werden, obwohl dir alle Eloquenz und Durchsetzungsvermögen bescheinigen.

Ja, das ist so! Gleichzeitig aber gilt: Stress hat, wer Ja sagt und Nein meint.

3. Nein zur ständigen Erreichbarkeit

Ich liebe Kommunikation. Ich mag Gespräche, ich finde E-Mail, Messaging Services und auch das gute alte Telefonat praktisch. Aber ich bin keine Notärztin. Ich muss nicht in Sekundenschnelle reagieren, weil sonst Leib und Leben bedroht wären.

Deshalb praktiziere ich asynchrone Kommunikation. Ich erlaube mir, auf E-Mails, die am Morgen reinkommen erst Stunden später zu antworten – vielleicht sogar erst am nächsten oder übernächsten Tag. Ich reagiere nicht sofort bei jeder Message, die auf meinem Smartphone aufpoppt. Ich gehe nicht ans Telefon, wenn ich gerade im Schreibflow bin und nicht gestört werden möchte. Wer damit ein Problem hat, der hat ein Problem. Nicht ich. Aber nur, weil jemand damit ein Problem hat, werde ich mein Nein zur ständigen Erreichbarkeit nicht ändern.

4. Nein zum Anspruch, die Welt zu retten

Ich sage Nein zu vielen ehrenamtlichen Aktivitäten. Natürlich ist ehrenamtliches Engagement großartig und ich finde es wunderbar, dass Menschen dafür Zeit, Kraft und Energie investieren. Aber ich sage im Allgemeinen „Nein“ – es sei denn, es handelt sich um eine Sache, für die ich mich aus voller Überzeugung engagiere – wie beispielsweise die Juryarbeit für den Top100-Innovationspreis für die innovativsten deutschen Mittelständler. Gleichzeitig aber gilt: Ich kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Deshalb lehne ich beispielsweise Mentoringanfragen ab, die ich immer mal wieder von Frauennetzwerken erhalte. Keine Frage, Mentoring ist eine sinnvolle Sache – aber ich möchte Menschen generell weiterbringen, und das tue ich mit meinen Publikationen und meinen Vorträgen. Und dabei ist es für mich unerheblich, welches Geschlecht die Menschen haben. Sheryl Sandberg wäre vermutlich enttäuscht von mir.

5. Nein zu ‘Burning the midnight oil’

Ich habe vor vielen Jahren festgestellt, dass ich ein unglücklicher Mensch bin, wenn ich nicht mindestens siebeneinhalb Stunden Schlaf bekomme. Gleichzeitig hat es mich früher beeindruckt, dass die Mächtigen und Wichtigen dieser Welt mit wenig Schlaf auskommen. Oder es zumindest behaupten. Unter vielen Politikern und Managern gilt es als Ausweis von Führungsstärke, nur wenig Schlaf zu brauchen. „Ich bin müde“ zählt nicht. Aus diesem Stoff sind sie gestrickt, die modernen Heldensagen.

Aber sind die Schlaf-Abstinenzler tatsächlich Vorbild oder eher Zombies im Stand-by-Modus? Die ernüchternde Wahrheit der meisten Ich-komme-mit-fünf-Stunden-Schlaf-aus-Helden sieht dann doch anders aus als ihre Selbstwahrnehmung. Sicherlich gibt es Menschen, die weniger Schlaf benötigen als ich. Aber nicht so viele, wie das von sich glauben.

Hier ist ein Umdenken fällig. Wir müssen unsere Leistungskultur neu und anders definieren. Höchstleistung ist nicht synonym damit, von früh bis spät am Schreibtisch (wahlweise: im Flugzeug, in Meetings, auf Konferenzen) gesehen zu werden. Und es liegt an den Führungskräften, hier mit gutem Beispiel voranzugehen.

Das ist meine To don’t Liste.

Ich bin mir sicher, dass deine komplett oder zumindest in großen Teilen anders aussieht. Gut so!

Verstehe die vorgenannten Punkte nicht als Schnittmuster oder Vorlage – nichts läge mir ferner. Es ist vielmehr als Ermunterung gedacht, dir Gedanken zu machen, was auf deiner Liste stehen sollte. Darüber spreche ich übrigens auch immer mal wieder in meinen Vorträgen. Zuerst schmunzeln die Leute über den Begriff „To don’t Liste“, dann runzeln sie die Stirn und dann wird ihnen klar, dass das eine Sache ist, über die sich nachzudenken lohnt.

Also: Was ist dein großes Ja? Was sind deine Neins, die sich daraus ableiten?

Schreib sie auf.

Häng sie über deinen Schreibtisch oder leg sie unter dein Kopfkissen – und schau immer wieder darauf.

Am besten täglich.

 

 

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