Laut Duden ist „kümmern“ ein „schwaches Verb“. – Schwach? Oh, nein! Ich bin anderer Meinung.
Natürlich weiß ich, dass „schwach“ in diesem Zusammenhang die Art meint, wie das Verb konjugiert wird, liebe Linguisten. Aber ich bestehe dennoch darauf, dass kümmern ein starkes Verb ist. Und die damit verbundene Haltung macht einen riesengroßen Unterschied.
Denn wenn Firmen ihre Waren und Dienstleistungen mit voll digitalisierten Prozessen ihren Kunden auf zig Kanälen anbieten, dann bleibt für die Kunden nur eines verlässlich: die zwischenmenschliche Kommunikation. Menschen, die sich kümmern.
Denn kein Produkt kümmert sich um dich! Keine Firma, keine Marke kümmert sich um dich. Nur Menschen mit Puls, Herz, Hand und Hirn können das! Und entweder sie tun es, oder eben nicht.
Kein Empfang auf diesem Zimmer
Als ich mein Zimmer in einem 4-Sterne-Hotel in Fulda beziehe, bin ich verblüfft: Kein WLAN-Empfang, nichts, mit dem ich mich verbinden kann. Da ich zum Arbeiten in Fulda bin, heißt das: Ohne Internet geht nichts.
Also zurück zur Rezeption.
Der Mitarbeiter schüttelt den Kopf: „Nein, mit dem Internet ist alles in Ordnung. Die Zimmer 200 bis 220 haben nur kein WLAN. Das ist baulich bedingt, der Router reicht nicht so weit.“
„Aber Sie schreiben doch auf Ihrer Website, dass es in allen Zimmern kostenloses WLAN gibt.“
Schulterzucken: „Ja, wie gesagt, tut mir leid, aber in Ihrem Zimmer nicht.“
„Gut, kann ich dann in ein anderes Zimmer umziehen, das WLAN hat?“
„Tut mir leid. Die anderen Zimmer mit WLAN-Empfang sind alle belegt.“
Ich kümmere mich darum!
Einige Zeit später bin ich für eine Vortragsveranstaltung in München und übernachte in einem 4-Sterne-Hotel am Olympiapark. Nachdem ich meine Sachen ausgepackt habe, stelle ich fest, dass das WLAN zwar funktioniert, aber das Signal recht schwach ist. Also runter zur Rezeption:
„Das WLAN ist nicht besonders stark. Können Sie da was machen oder muss ich vielleicht in ein anderes Zimmer umziehen, wo der Empfang besser ist?“
„Nein, umziehen müssen Sie nicht, das wollen wir Ihnen nicht zumuten. Ich kümmere mich darum“ sagt der Empfangsmitarbeiter.
Keine fünf Minuten später, klopft ein Techniker an unsere Zimmertür. „In zehn Minuten haben Sie das schnellste Internet im Hotel“, grinst er.
Kurz darauf steht ein Router mit zwei Antennen in der Zimmerecke und das WLAN funktioniert einwandfrei und schnell.
Nochmal fünf Minuten später klingelt das Telefon. Der Mann von der Rezeption ist dran: „Alles zu Ihrer Zufriedenheit erledigt? Prima. Wenn sonst noch was ist, melden Sie sich bitte. Ich kümmere mich darum.“
Wer ist eigentlich dafür verantwortlich?
Wer hat sich jetzt in Fulda nicht um mich gekümmert? Das Hotel oder der Mann von der Rezeption? Und wer hat sich in München um mich gekümmert? Das Hotel oder der Mann von der Rezeption?
Das ist genau der Punkt, auf den ich hinauswill: Es sind immer die Menschen, auf die es ankommt. Es ist der Mechaniker in der Werkstatt, der darüber entscheidet, ob du dein Auto dort noch einmal reparieren lasst. Es ist die Friseurin, die darüber entscheidet, wo du dir das nächste Mal wieder in diesem Salon die Haare schneiden lässt. Es ist die Apothekerin, die dafür sorgt, dass du wiederkommst. Es ist der Koch, der verantwortlich ist, ob du das nächste Mal diesem Restaurant einen erneuten Besuch abstattest.
Darum habe ich zwei Fragen an dich:
1. Bist du selbst ein Mensch, der sich kümmert?
Um die Kunden, die Kollegen, die Geschäftspartner? Oder erledigt das Kümmern bei dir Frau Maier und Herr Schmidt? Diese Frage entlässt übrigens deinen Chef, wenn du einen hast, nicht aus der Verantwortung!
2. Arbeitest du in einem Umfeld, in dem es gewünscht ist, dich zu kümmern?
Also: Wird es gesehen, geschätzt, honoriert? Leider heißt die Antwort auf diese Frage oft: nein!
Denn „sich kümmern“ lässt sich nicht anordnen oder in Leitlinien, Handbüchern oder Prozessbeschreibungen festlegen. Der Anlass ist unvorhersehbar und die Lösung des Problems wird gerade dadurch zum Kümmern, weil es keine Patentlösung gibt. Darum ist Kümmern erst einmal immer teuer. Seinen Nutzen entfaltet das Kümmern nur langfristig.
Jetzt du!
Allerdings, und das ist mir wichtig: Egal, wie das in deiner Organisation organisiert ist – du selbst kommt aus der Nummer nicht raus. Und damit du merkst, was es mit dir selbst anstellt, wenn du dich wirklich kümmerst, lade ich dich zu einem Experiment ein:
Such dir JETZT einen Menschen aus – eines deiner Kinder, deinen Partner, einen Nachbarn, einen Freund, einen Kollegen, einen Kunden oder deinen Chef. Und jetzt: Kümmer dich ganz bewusst um diesen Menschen!
Wetten, dass es die Welt des Unterschieds ausmacht?
Für ihn oder sie.
Und auch … für dich!