Der beste Weg, um persönliche Weiterentwicklung im Keim zu ersticken ist, sich bei allen Aktivitäten die Frage zu stellen: Wie kann ich neuen Erfahrungen im Leben möglichst gut aus dem Weg gehen? Um das umzusetzen haben wir einen heißen Tipp für euch: Vermeidet Reisen! Bleibt Zuhause! Ein Radius von 25 Kilometern reicht doch vollkommen…
Und wenn es schon sein muss, dann plant und organisiert eure Reise doch am besten so, dass die Überraschungen ausbleiben. Die größte Schwierigkeit dabei ist: Die Gelegenheiten, neue Erfahrungen zu machen, liegen dummerweise an jeder Straßenecke! Darum ist es so wichtig, sich auf Reisen so gut es geht abzukapseln.
So könnt ihr Wachstum garantiert verhindern
Der Flug wird rechtzeitig gebucht, der Sitzplatz am Fenster reserviert. Safe! Der Transfer zum Hotel, die Reiserücktrittsversicherung. Uff! Auch alle Sightseeing-Fahrten lassen sich ganz risikofrei schon von Zuhause aus buchen. Haken dran. Plant möglichst jedes Essen schon im Voraus, damit ihr keine Überraschungen erlebt. Gebongt. Kontakte mit Einheimischen sind leicht vermeidbar, das Hotelpersonal kann Deutsch – das könnt ihr vorher beim Planen sicherstellen. Check. Noch ein wichtiger Hinweis: Vermeidet lokale Verkehrsmittel! Mietwagen und Mietchauffeur kann man rechtzeitig buchen, so dass ihr mit niemandem interagieren müsst. – Alles klar?
Persönliches Wachstum, neue Erfahrungen und inspirierende Erlebnisse treten auf diese Weise garantiert nicht auf. Ihr seid auf der sicheren Seite!
Pioniere auf der Walz
Der von uns sehr geschätzte Unternehmer Manfred Wittenstein geht mit seinen (rund 1.400) Mitarbeitern allerdings einen völlig anderen Weg. Er ist Unternehmer im besten Wortsinne, weil er etwas unternimmt. Das heißt konkret: Er stößt neue Dinge an, gibt sich nicht mit dem Status Quo zufrieden und ist sich bewusst, dass er – obwohl er mit seinem Maschinenbau- und Hightech-Unternehmen in der mainfränkischen Provinz sitzt – mitten im globalen Wettbewerb mitspielt. 60 Prozent des Umsatzes macht Wittenstein im Ausland. Darum sollen die Mitarbeiter über den Tellerrand schauen, fremde Länder kennenlernen – und das nicht nur als Pauschaltouristen – und mit dieser Erfahrung persönlich wachsen.
Das Programm heißt: „Pioniere auf der Walz“. Und das sieht konkret so aus: Der Mitarbeiter sucht selbst ein Reiseziel aus, plant ein Projekt und stellt es vor. Dafür geht er drei Monate auf Reise, bekommt volle Lohnfortzahlung, erhält die Reisekosten erstattet und eine zusätzliche Pauschale von 1.500 Euro im Monat.
Alle Achtung! Wittenstein meint es ernst!
Das sind Bedingungen, die jeden, der das zum ersten Mal hört, schlucken lassen. Mitarbeiter, die dringend am Arbeitsplatz gebraucht werden, werden dafür bezahlt, ihre Arbeit liegenzulassen und zu verreisen? Und das noch mit finanziellem Aufschlag?
Aber Wittenstein wäre nicht der Chef eines florierenden Unternehmens, wenn er nicht einen Sinn in dieser Wanderschaft sehen würde und genau wüsste, worin er damit investiert.
„Urlaub ist es nicht“, sagt er. Die modernen Wandergesellen schwelgen nicht drei Monate im Luxus, sondern suchen sich Orte, an denen sie lernen können, was sie persönlich am meisten interessiert. „Einer will die Zuckerrohrverwertung in Brasilien kennenlernen, einen anderen zieht es nach Israel, um über das Elektroauto-Projekt Better Place alles zu lernen. Ein anderer fand Argentinien faszinierend, weil seine Lieblingsband Die Toten Hosen dort immer so tolle Konzerte gab. Aber die Motive sind egal,“ ergänzt Wittenstein.
Neue Blickwinkel und ein Strahlen in den Augen
Das Ergebnis: Wenn sie zurückkommen, dann funkeln die Augen der Mitarbeiter und sie sind ein bisschen gewachsen. Sie sind kritischer, sie glauben nicht mehr an die verbreiteten Klischees über andere Länder und wissen, wie man im Ausland lebt und arbeitet … Und sie haben gelernt, dass sie in Deutschland in einer unglaublichen Komfortzone leben.
Reisen bildet umfassend. Wenn man es zulässt.
Lasst ihr es zu?