„Können Sie mir beschreiben, was Sie den ganzen Tag über essen und trinken?“
Die Ayurveda-Ärztin blickt mich freundlich an. Ihr bunter Sari schimmert im Licht. Es ist Ende letzten Jahres, und ich bin für einen Monat in Südindien. Ayurveda zu erleben, war einer der Gründe dieser Reise.
Ich überlege – und ahne bereits, dass meine Antwort nicht ayurvedakonform ausfallen wird …
„Was machen Sie beispielsweise, wenn Sie aufgestanden sind?“ fragt sie.
Okay, das weiß ich. „Mein erster Gang nach dem Aufstehen führt mich schnurstracks zur Kaffeemaschine“, sage ich. „Ohne meine erste Tasse Kaffee komme ich nicht in die Gänge.“
Ihr freundliches Lächeln bleibt, aber plötzlich wiegt sie den Kopf hin und her. Ein langsames Wackeln, das ich nicht ganz deuten kann. Ein Kopfschütteln?
Oh je, denke ich. Das war offenbar nicht die Antwort, die sie hören wollte. Ist das ihre höfliche Art zu sagen: Das mit dem Kaffee ist ja wohl völlig daneben?
„Ähm …“, setze ich an, aber sie unterbricht mich.
„Interessant“, sagt sie ruhig, immer noch mit diesem sanften Wiegen des Kopfes. Moment mal … Interessant? Ihr Gesichtsausdruck sieht eigentlich nicht aus, als würde sie meine Kaffeeroutine verurteilen.
Dann fällt es mir plötzlich auf. Dieses Kopfwiegen, das für mich aussieht wie ein westliches Kopfschütteln – das bedeutet in Indien etwas ganz anderes. Es signalisiert Verständnis. Es ist eine Geste der Verbindung.
Ich atme aus und lache leise. Sie hebt eine Augenbraue, neugierig. „Entschuldigung“, sage ich, „ich dachte gerade, ich hätte bei Ihnen schon verloren.“
Jetzt lacht sie auch und ich merke: Das hier wird ein spannendes Gespräch.
Wahrnehmung ist alles
Wahrnehmung ist keine Wahrheit – sie ist nur das, was wir dafür halten. Wir sehen die Dinge nicht, wie sie sind – wir sehen sie, wie wir sind.
Das bedeutet: Unsere Filter – geprägt durch Erfahrungen, kulturelle Einflüsse und sogar unsere momentane Stimmung – beeinflussen, wie Worte und Gesten bei uns ankommen und wie wir sie auffassen.
Und genau hier liegt eine der größten Fallen in der Kommunikation. Zwei Menschen können exakt dieselben Worte hören oder die gleichen Gesten sehen und doch zu völlig unterschiedlichen Interpretationen kommen.
Du kennst das. Vielleicht hattest du schon einmal ein Gespräch mit deinem Partner, von dem du überzeugt warst, dich klar und unmissverständlich ausgedrückt zu haben – nur um später festzustellen, dass er oder sie völlig verwirrt war. Oder du hast jemandem im Job konstruktives Feedback gegeben – so dachtest du zumindest. Nur leider ist das bei der anderen Person als verletzende Kritik angekommen.
Die Krux an der Sache: Wir gehen automatisch davon aus, dass unsere Botschaft so ankommt, wie wir sie meinen – weil sie für uns selbst klar ist. Doch der andere interpretiert sie durch seine eigenen Prägungen, die sich stark von unseren unterscheiden können.
Wenn das geschieht und deine Absicht nicht mit der Wirkung übereinstimmt, entstehen Missverständnisse. Das Ergebnis sind Verwirrung, Frustration oder sogar Konflikte.
Wie kannst du sicherstellen, dass das, was du sagst, auch wirklich verstanden wird?
Drei hilfreiche Strategien, um die Wahrnehmungsfalle zu vermeiden:
1. Um Feedback bitten
Meine Verwirrung über das Kopfwiegen der Ärztin in Indien hätte ich ganz leicht mit einer einfachen Frage auflösen können: „Liege ich richtig mit der Annahme, dass Sie gerade den Kopf schütteln. Oder ist das anders gemeint?“ Im beruflichen Umfeld ist das nicht anders. Wenn du dir unsicher bist, wie deine Botschaft ankommt, frag nach: „Ist das verständlich?“, oder „Wie klingt das für dich?“ Solche Fragen geben deinem Gegenüber die Chance, Unklarheiten zu äußern – und dir die Möglichkeit, deine Botschaft zu klären.
2. Aktives Zuhören
Zuhören ist eine Kernkompetenz guter Kommunikation und insbesondere für Führungskräfte von herausragender Bedeutung. Wenn dein Gegenüber fragend schaut, halte inne. Beobachte. Und gib deinem Gesprächspartner Raum, sich zu äußern. Frag aktiv: „Was ist noch unklar?“, oder „Wie siehst du das?“ Und dann halte den Mund – und lass den anderen zu Wort kommen. Nicht immer ganz einfach, aber sehr wirksam.
3. Umformulieren und Bestätigen
Eine Botschaft noch einmal neu zu formulieren, ist keine Schwäche – sondern ein Zeichen von Klarheit und Führungsstärke. Besonders bei wichtigen E-Mails oder Teamansprachen lohnt es sich, kritisch zu prüfen, ob der Inhalt wirklich klar ist. Ein externer Blick – etwa durch einen Kollegen oder eine Vertrauensperson – kann dabei Wunder wirken. Gerade in Führungspositionen ist es wichtig, zu erkennen, dass präzise Kommunikation keine Selbstverständlichkeit ist, sondern Arbeit erfordert.
Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Die Herausforderung liegt nicht im Reden, sondern darin, dass deine Botschaft ankommt.
Also, wie sorgst du dafür, dass du beim nächsten Gespräch wirklich verstanden wirst?
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