In meinen Vorträgen spreche ich oft darüber: Tugenden wie Fleiß, Sorgfalt und Zuverlässigkeit sind notwendig, um Erfolg zu haben. Aber sie sind nicht hinreichend! Sie sind nur die Eintrittskarte, um mitspielen zu dürfen.
Sie werden vorausgesetzt, aber sie genügen nicht. Eine zukunftsfähige Gesellschaft und Wirtschaft braucht Individuen, die fähig sind zum kreativen Problemlösen und neue Dinge voranzubringen, ohne dass sie an die Hand genommen werden.
Aber das passt nicht jedem. Neulich meldete sich eine Dame lautstark zu Wort und entrüstete sich: „Ja, für Leute, die so wie Sie studiert haben, trifft das sicherlich zu. Oder wenn man einen kreativen Beruf als Designer, Architekt oder Autor hat. Aber ich bin ja nur Sachbearbeiterin!“
Diesen Einwand höre ich in unterschiedlicher Form immer wieder. In Leserzuschriften, nach Vorträgen oder im persönlichen Gespräch. Und er nervt mich mittlerweile zunehmend!
Warum?
Weil es eine Ausrede ist. Eine ziemlich bequeme dazu. Sich auf die Ich-würde-ja-gern-aber-ich-kann-nicht-darf-nicht-geht-nicht-Leier zurückzuziehen, das ist mir zu einfach!
Meine Überzeugung: Es gibt KEINE langweiligen Jobs!
Es gibt keine Aufgabe, die nicht mit einer guten Portion Initiative, Kreativität und Engagement besser werden würde. Die sich nicht so ausführen lässt, dass sie alle Beteiligten reicher machen würde, sowohl den Empfänger der Leistung, als auch den Erbringer der Leistung.
Was den Unterschied macht, hat Mormonenprediger Randall L. Ridd in einer seiner Predigten wunderbar auf den Punkt gebracht. Um den typisch amerikanischen Pathos herauszunehmen und sie für Westeuropäer passender zu machen, habe ich die Geschichte leicht adaptiert. Sie geht so:
Tom bewarb sich bei einer renommierten Firma. Mit Erfolg. Er bekam einen Einstiegsjob. Aber sein Ehrgeiz war geweckt – er wollte mehr. Um genau zu sein: Er wollte mehr Verantwortung und einen höher dotierten Job. Und um das zu erreichen, kniete er sich rein. Er arbeitete gewissenhaft die Aufgaben ab, die ihm übertragen wurden, er kam früh morgens und blieb auch abends länger, damit sein Chef sehen konnte, dass er es ernst meinte.
Nach vier Jahren war es endlich soweit: Eine Führungsposition wurde frei. Aber zu Toms großer Bestürzung wurde die Position an einen anderen Mitarbeiter vergeben, der gerade erst seit sechs Monaten in der Firma war! Tom war extrem verärgert und forderte von seinem Chef eine Erklärung.
Sein Chef sagte: „Würden Sie mir einen Gefallen tun, bevor ich Ihre Frage beantworte?“
„Na klar“, sagte Tom.
„Würden Sie bitte ein paar Äpfel für mich kaufen? Meine Frau hat mich gebeten, die mitzubringen.“
Tom nickte und machte sich auf den Weg zum Supermarkt. Als er wieder zurückkam und dem Chef die Tüte reichte, sagte sein Chef: „Ah, danke! Welche Sorte Äpfel haben Sie denn gekauft?“
Tom war verblüfft. „Ähm, ich weiß nicht. Irgendwelche. Sie haben nur gesagt, dass ich Äpfel kaufen soll. Und das sind Äpfel.“
„Gut. Und wie viel haben sie gekostet?“
„Hm, da habe ich gar nicht drauf geachtet. Sie haben mir 30 Euro gegeben. Hier ist der Kassenzettel und das Wechselgeld.“
„Danke schön, Tom“, sagte der Chef. „Und jetzt setzten Sie sich bitte und hören genau hin.“
Der Chef rief den Mitarbeiter an, der die Beförderung erhalten hatte: „Hallo, Tim, würden Sie mir bitte einen Gefallen tun? Würden Sie bitte ein paar Äpfel für mich kaufen? Meine Frau hat mich gebeten, die mitzubringen.“
Als Tim kurz darauf mitsamt den Äpfeln ins Büro kam, fragte der Chef ihn: „Welche Sorte Äpfel haben Sie gekauft?“
„Oh“, antwortete Tim, „ich war auf dem Wochenmarkt um die Ecke. Dort gab es eine ganze Reihe von Sorten. Granny Smith, Cox Orange, Boskoop, Gala, Elstar, Golden Delicious und noch einige mehr. Ich wusste gar nicht, welche Sorte ich kaufen sollte. Aber mir ist eingefallen, dass Sie sagten, dass Ihre Frau die Äpfel braucht. Also habe ich sie schnell angerufen. Sie sagte, dass sie für den Kindergeburtstag frisches Apfelmus machen wolle. Und dann habe ich den Händler gefragt, welche Sorte sich am besten für Apfelmus eignet. Er hat mir Boskoop empfohlen, weil die sehr aromatisch sind und auch säuerlich, was wohl im Apfelmus am besten schmeckt. Die habe ich dann gekauft.“
„Und wieviel haben die gekostet?“
„Ja, das war die andere Sache. Ich wusste nicht, wie viele ich kaufen sollte. Deshalb habe ich nochmals kurz bei Ihrer Frau angerufen und sie gefragt, wie viel Apfelmus sie machen möchte. Sie sagte, dass sie das gar nicht so genau sagen könne. Es kämen 25 Kinder und es gäbe Kartoffelpuffer. Dafür solle der Apfelmus reichen. Also habe ich den Händler gefragt, wie viele Äpfel man für Apfelmus für Kartoffelpuffer für 25 Kinder benötigt. Der war erst etwas ratlos und rief dann seine Mutter dazu. Die wusste Bescheid und riet zu 5 kg Äpfel. Er hat mir dann extra noch von Hand eine Quittung geschrieben, hier bitte.“
„Danke schön“ sagte der Chef, „Sie können jetzt gehen.“
„Ach“, sagte Tim und drehte sich in der Tür nochmal um, „Ihre Frau wird in der Tüte auch eine Zitrone finden. Das ist kein Versehen, sondern ein Tipp der Mutter des Händlers. Der Zitronensaft verhindert, dass das Apfelmus so hässlich braun wird.“
„Danke!“, sagte der Chef nochmal. Sein Blick wanderte zu Tom. Dieser war aufgestanden und sagte mit hängenden Schultern: „Jetzt verstehe ich, was Sie meinen.“
Stimmt. Deutlicher kann man nicht zeigen, welche innere Einstellung zur Arbeit einen Unterschied macht.
Und damit wird auch klar: Wenn sich aus dem Kauf von Äpfeln etwas Besonderes machen lässt, dann gibt es keinen Job, der zu klein oder zu langweilige wäre, um ihn nicht besser oder interessanter oder wertvoller zu machen.
Und: Es gibt keine Mitarbeiter, die nicht mit einem Hauch Initiative, Kreativität und Engagement einen gewaltigen Unterschied machen können.
Die Frage ist nur: Willst du eher Tom sein oder Tim?