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Vom Fehler in der Fehlerkultur

Die Fehler der Fehlerkultur – was du stattdessen tun solltest

Eine kluge Fehlerkultur ist schnell gefordert: Wir sollen dankbar sein für Fehler! Ja, wir sollen Fehler sogar feiern, rufen uns neunmalkluge Berater zu!

Aber mal Hand auf’s Herz: Fehler sind doch nichts Tolles, oder? Welcher Chef freut sich über die Kosten, die die Fehler seiner Mitarbeiter verursachen? Und wer begeht gerne Fehler und erzählt mit stolz geschwellter Brust den anderen davon?

Wäre es nicht viel schlauer zu versuchen, Fehler zu vermeiden, anstatt Fehler in etwas Positives umzudeuten?

Fehlerkultur? Hmm…

Ich sage: Jein … Denn ganz so einfach ist es nicht. Natürlich möchte niemand folgenschwere Zahlendreher oder Verletzungen der Sorgfaltspflicht belohnen. Piloten, Formel-1-Fahrer, Chirurgen, Konzertpianisten und viele andere mehr sind umso besser, je fehlerfreier sie arbeiten. Logisch. Einverstanden.

Wahr ist aber auch, dass wir in den meisten Feldern von Wirtschaft und Gesellschaft heute keine Patentrezepte und Standardprozesse mehr haben. Alles verändert sich einfach zu schnell und zu unvorhergesehen.

Wir betreten permanent Neuland

Und das heißt: Wir können im Vorhinein oft gar nicht wissen, was richtig und was falsch ist. Dennoch müssen wir irgendetwas tun. Dementsprechend ist in Wahrheit die blutige Nase, die wir uns holen, oder der Fehlschlag, den wir verkraften müssen, gar kein Fehler im eigentlichen Sinn, sondern ein misslungenes Experiment. Ein gescheiterter Versuch. Ein fehlgeschlagener Test.

Und danach beginnt das eigentlich Spannende: Jedes missratene Experiment enthält jede Menge Informationen darüber, was nicht funktioniert und darüber, was stattdessen funktionieren könnte. Jeder „Fehler“ ist somit eine Chance etwas zu lernen: Ein Unternehmen ist dadurch nach dem gescheiterten Versuch ein kleines bisschen besser als zuvor.

Aber eben nur dann, wenn es tatsächlich daraus lernt. Und das geht nur, wenn die Mitarbeiter darüber reden und gemeinsam versuchen zu verstehen, was genau passiert ist.

Mit „Fehlerkultur“ ist also eigentlich „Lernkultur“ gemeint.

Ich finde, dass zum Beispiel das New Yorker Unternehmen Etsy das hervorragend macht:

Etsy ist eine E-Commerce-Plattform für den Handel mit handgemachten Produkten und Künstlerbedarf. Vor einigen Jahren entdeckte einer der Software-Ingenieure einen folgenschweren Programmierfehler, der ihm unterlaufen war. Doch er bereinigte ihn nicht nur und machte dann weiter, sondern er fürchtete, dass nach ihm auch noch andere in die gleiche Falle tappen könnten. Darum beschrieb er den Sachverhalt detailliert in einer E-Mail und schickte die an alle anderen Programmierer bei Etsy, um sie vor den Kopfschmerzen zu bewahren, die er selbst durchlitten hatte.

Das fanden die Kollegen gut. Und ab diesem Moment begannen auch andere damit. Es entwickelte sich eine firmenweite Kultur, jeden Fehler per E-Mail für alle anderen zu dokumentieren – eine Kultur, die sich über die Gruppe der Programmierer hinaus im ganzen Unternehmen verbreitete.

Jeder verstand sofort, dass es sich dabei um eine Art sozialen Vertrag handelte.

Die Empfänger der E-Mails profitieren von dem Wissen, das der Absender beim Verstehen seines Fehler gewonnen hat. Im Gegenzug machen sie sich die Mühe, ihre eigenen Fehler genau zu analysieren und für die anderen verständlich zu beschreiben. Eine Hand wäscht die andere.

Dass sich bei Etsy niemand über Fehler anderer mokiert oder gar Häme verbreitet, versteht sich von selbst. Warum sollte man sich auch über eine wertvolle Erkenntnisquelle lustig machen?

Diesen Bock habe ich in der letzten Woche geschossen

Anlässe zum Ärgern in nützliches Wissen verwandeln, das kannst du auch!

Wie immer hilft es wenig, die Fehler-E-Mails von Etsy einfach nur abzukupfern. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde so ein Versuch im Sande verlaufen.

Such dir stattdessen deinen eigenen Weg: Anstatt zum Beispiel das wöchentliche Projektmeeting mit dem üblichen Herunterrattern der Wasserstandsmeldungen zu verbringen, könntet ihr doch einfach mal darüber sprechen, was der größte Bock war, den ihr in der letzten Zeit geschossen haben, warum genau der euch passiert ist, und was genau ihr daraus gelernt habt.

„Das habe ich letzte Woche versemmelt – und das habe ich daraus gelernt.“ 

Die Aufmerksamkeit deines Teams ist dir sicher!