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Die Macht der kleinen Dinge

Würdest du es tun?

Nehmen wir an, es gäbe eine kleine Verhaltensänderung. Diese Änderung bei dir selbst und in deiner Organisation umzusetzen, ist nur eine kleine Sache. Und außerdem so einfach, dass es ein Fünfjähriger ohne Anleitung versteht.

Und der Controller wird es lieben, denn es kostet NICHTS.

Und es dauert nicht länger als ein paar Sekunden.

Und das Ergebnis?

Eine dramatische Veränderung.

Die Servicequalität wird deutlich verbessert.

Das wirtschaftliche Ergebnis wird positiv beeinflusst.

Die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit steigt nachweislich.

Zu gut, um wahr zu sein?

Gibts nicht?

Doch!

Wie geht das?

Ein augenöffnendes Beispiel kommt von Ochsner Health System, einem Betreiber von vierzig Kliniken und medizinischen Einrichtungen im Süden der USA, im Bundesstaat Louisiana.

Das Problem: Niemand geht gerne ins Krankenhaus – außer du hast einen ausgeprägten Hang zur Hypochondrie und eine überaktive Fantasie, die blitzschnell aus dem diffusen Bauchgrummeln die typische Symptomatik für Dickdarmkrebs ableitet.

Für alle anderen, die nicht so drauf sind, ist das Betreten eines Krankenhauses eindeutig mit einer negativen Erfahrung verbunden, nämlich krank zu sein. Die Frage, die sich Ochsner Health System stellte: Wie können wir trotz der Abneigung, die die meisten Menschen gegen Krankenhäuser hegen, die Erfahrungen unserer Patienten verbessern? Und zwar schon dann, wenn sie unser Gebäude betreten?

Ganz einfach.

Man macht aus dem Krankenhaus ein Ritz-Carlton.

Aber nun mal der Reihe nach.

Der 10/5 Way

Die Hotelmarke Ritz Carlton steht für exzellenten Service. Das liegt nicht nur am hoteleigenen Pool, den flauschigen Bademänteln oder dem „Turn down Service“, bei dem der Zimmerservice am Abend die Vorhänge zuzieht, das Bett „schlaffertig“ macht und ein Betthupferl aufs Kopfkissen legt. Es liegt vor allem daran, dass im Ritz-Carlton jeder Gast das Gefühl hat, gesehen und geschätzt zu werden.

Das Geheimnis, wie das gelingt? Der sogenannte „10/5 Way“. Im Kern besteht der 10/5 Way aus Verhaltensregeln, auf deren Einhaltung alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult werden.

Erstens: Wenn ein Gast im Umkreis von zehn Fuß (umgerechnet drei Meter) vorbeigeht, nimmt der Mitarbeitende Blickkontakt auf und lächelt.

Zweitens: Wenn ein Gast im Umkreis von fünf Fuß, also eineinhalb Metern, vorbeigeht, grüßt der Mitarbeitende den Gast.

Das ist alles.

Was einfach klingt, hat in der Umsetzung spürbare Auswirkungen auf die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit und das betriebswirtschaftliche Ergebnis. Kunden, die sich gesehen und wertgeschätzt fühlen, sind zufriedener und darüber hinaus loyal. Sie kommen wieder – und verkaufen sogar für das Unternehmen, nämlich durch Weiterempfehlung.

Dahinter steckt ein Phänomen, das wir alle von uns selbst kennen: Das Belohnungssystem im Gehirn reagiert besonders auf positive Überraschungen und zwischenmenschliche Gesten und Signale. Wertschätzung, Achtsamkeit, das Gefühl, als Person wirklich wahrgenommen zu werden, sind Balsam für Geist und Seele.

Ein folgenreiches Experiment

Okay, aber was haben nun Krankenhäuser mit dem „10/5 Way“ von Ritz Carlton zu tun?

Diese Verhaltensregel wurde als Experiment in den Kliniken des Ochsner Health System umgesetzt. Keine leichte Aufgabe, denn 11.000 Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und weiteres Klinikpersonal mussten geschult werden.

Der Glücksforscher Shawn Achor, der in Harvard lehrt und forscht, hat dieses Experiment mit seinem Team begleitet und darüber in der Harvard Business Review geschrieben. Natürlich war allen Beteiligten sonnenklar, dass ein Krankenhaus niemals in der Luxuskategorie eines Ritz mitspielen kann. Das war auch nicht die Idee. Vielmehr ging es darum, dem Klinikpersonal eine positive Einstellung zu vermitteln und dann zu sehen, ob sich diese Perspektive auf die Patienten und deren Zufriedenheit überträgt.

Es begann, wie die Einführung von Neuem oft beginnt: mit großer Skepsis. Die Einstellung vieler medizinischen Bediensteten zu diesem Experiment ließ sich mit einem Wort umfassend erklärt: Anti!

„Schon wieder so eine blöde HR-Initiative“

„Ist doch eh nur kosmetische Veränderung“

„Dafür habe ich keine Zeit. Ich bin schließlich damit beschäftigt, hier Leben zu retten“.

Doch nach einigen Monaten mussten auch die größten Skeptiker einsehen: Es funktioniert!

Und warum? Ganz einfach: Wenn du den Flur entlang gehst und jemand kommt dir entgegen, grüßt und lächelt … was passiert? Du grüßt automatisch zurück und lächelst auch. Kurz gesagt, das Verhalten ist ansteckend. Genau das passierte auch in den Kliniken, in denen das Experiment durchgeführt wurde. Schnell war zu sehen und zu spüren: Hier bewegt sich etwas.

Veränderung überall

Und die Patienten? Schließlich hatten sie keinerlei Vorerfahrung oder Training im 10/5 Way – im Gegensatz zum Klinikpersonal. Und jetzt wird es interessant: Als Achor und sein Team die Patienten auf den Fluren beobachteten, stellten sie fest, dass diese nicht nur den 10/5 Way erwiderten. Sie initiierten das Lächeln und Grüßen.

Das Fazit: Positiv! Kein Wunder, denn Untersuchungen zeigen immer wieder, dass sowohl das Engagement der Mitarbeitenden wie auch die Produktivität steigen, wenn Menschen mit einer positiven Einstellung arbeiten. Wer positiv eingestellt ist, kann Herausforderungen besser meistern.

Eine weitere Verhaltensänderung, die bei Ochsner umgesetzt wurde, war die „No-Venting-Regel“. Die Mitarbeitenden wurden geschult, in Anwesenheit eines Patienten niemals „Dampf“ abzulassen. Damit ist gemeint, sich über Schlafmangel, Müdigkeit, nervige Patienten oder andere Probleme zu beschweren. Die No-Venting-Rule gilt nicht nur im Untersuchungszimmer, sondern auch auf dem Flur oder in der Cafeteria. Der Kern dieser Idee: Vergifte dein Umfeld nicht mit Negativität, denn negatives Verhalten ist genauso ansteckend wie positives.

Wo kann man also bei Bedarf Dampf ablassen? Ganz einfach: In den meisten Gebäuden gibt es spezielle Raucherzonen, damit der Qualm die anderen nicht stört. Genau diese Rolle können „Entlüftungszonen“ übernehmen, in denen diejenigen, denen danach ist, Dampf ablassen können – anstatt mit ihrer Negativität die Stimmung im Team zu vergiften.

Und nun?

Wer jetzt denkt: Alles schön und gut. Wieder so eine Maßnahme aus dem kunterbunten Wir-Haben-Uns-Alle-So-Lieb-Maßnahmenkatalog, der springt in seiner Schlussfolgerung zu kurz.

Worum es mir geht, ist die weitreichende Wirkung kleiner, einfacher Veränderungen. Es macht einen riesigen Unterschied, diese in deinem Leben zu verankern. Ich habe es selbst ausprobiert und weiß: es funktioniert.

Zum Beispiel könntest du die No-Venting-Rule nicht nur in deiner Organisation oder deinem Team, sondern auch zu Hause anwenden. Vergifte nicht die Atmosphäre zu Hause, wenn dich etwas bei der Arbeit genervt hat. Sondern suche dir dafür einen designierten „Entlüftungsbereich“, indem du zum Beispiel deine Laufschuhe anziehst und erst einmal eine Runde joggen gehst oder einen Spaziergang an der frischen Luft machst. Lass dort alles Negative raus – und gut ist. Das mit an den Abendbrottisch zu nehmen, ist nicht nur ein schlecht für dich – sondern auch für alle, die eigentlich gar nichts mit der Ursache deiner Unzufriedenheit zu tun haben.

Just do it!

Versuch es mit kleinen, einfachen Änderungen. Je kleiner die Veränderung, desto einfacher ist es, sie auch konsequent umzusetzen.

Wie das geht?

Du könntest mit diesem kleinen Experiment beginnen: Lächle in den nächsten 24 Stunden jeden an, der im Umkreis von drei Metern an dir vorbeigeht. Nicht als aufgesetztes Zwangslächeln, das so honigsüß daherkommt, dass der andere auf der Stelle Zahnschmerzen bekommt. Sondern als ehrliches Lächeln. Und wenn wir schon dabei sind, kannst du gleich noch etwas ausprobieren, nämlich darauf zu verzichten, Unbeteiligte damit zu „beglücken“, wenn die etwas geärgert hat.

Es funktioniert!

Und es macht einen Riesenunterschied. Für dich. Für deine Lebensqualität. Und für die Menschen in deinem Umfeld.

Das ist die Kraft des positiven Anfangs.


„Everything we do has some effect – even a simple act.
Although it might seem insignificant,
when we multiply it by billions of others who might do the same things,
we can have an enormous impact”

Dalai Lama

So ist es. Jede noch so kleine Handlung hat eine Auswirkung. Multipliziert mit Tausenden und Abertausenden anderer Menschen kann aus einer vermeintlich „kleinen Sache“ etwas Großes werden. Selbst eine so kleine Handlung wie immer das Licht auszuschalten, wenn du einen Raum verlässt.

Oder ein Lächeln für jemanden, der dir im Flur begegnet.