Reden wir mal über die wichtigen Dinge:
Wenn du auf deine vergangene Arbeitswoche zurückschaust, wie würdest du die folgenden zwei Fragen beantworten? Hand aufs Herz!
– Wie viele Stunden meiner Arbeitszeit sind für internes Geplänkel draufgegangen? Für Abstimmungsrunden, Meetings, Statusberichte, bürokratische Hindernisläufe und all dieses Zeugs? Und..
– Wie viele Stunden waren direkt auf den Kunden ausgerichtet?
Wenn deine Organisation kein absoluter Sonderfall ist, wirst du einen erheblichen Teil deiner Zeit für Dinge aufgewendet haben, die ich als Bürokratie-Häufchen und kleine Fussel der Zeitverschwendung bezeichne.
Und beides gibt es praktisch überall, wo Menschen zusammenarbeiten: Projekte ohne direkten Kundenbezug. Online-Formulare und Fragebögen. Berichtswesen. Dokumentationspflichten. Performance Messungen und als I-Tüpfelchen noch der CC-Wahn bei den Mails … Cover-your-ass-Mentalität in Reinkultur. Absicherungsaktionismus gegen Kontrollverlust.
Der Irrtum der Jonny Controllettis
Wenn alles bis ins kleinste Detail geregelt ist, stärkt es das gute Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben und potenzielle Risiken zu minimieren. Nur blöd, dass die Leute in der Konsequenz ihren gesunden Menschenverstand ausschalten. Humanoide Regel-Befolgungs-Automaten wursteln sich durch den durchregulierten Alltag.
Natürlich kommt keine Organisation ganz ohne Verwaltung aus. Um zu funktionieren, braucht es sowohl Stabilität – als auch Flexibilität. Das Problem beginnt dann, wenn durch Regelungswut und Risikoaversität die Flexibilität immer mehr eingeschränkt wird. Das ist nicht nur teuer, sondern macht eine Organisation auch langsam.
Zu allem Überfluss gesellt sich noch ein toxischer Abstrahleffekt auf die Mitarbeitenden hinzu: Ihre Frustration wächst extrem, da sie einfach keine Lust mehr auf ein Arbeitsleben verspüren, das sich anfühlt, als sei man nur eine Nummer in einem durchregulierten Alltag, in dem es ewig dauert, bis irgendetwas umgesetzt wird.
Man redet zwar viel über Agilität, Zukunftsdrive und Kundenzentrierung. Gleichzeitig werden aber genau diese Absichten in den Niederungen der alltäglichen Realitäten zerrieben.
Willkommen in Absurdistan!
All das ist weder betriebswirtschaftlich klug, noch menschlich sinnvoll. Ganz im Gegenteil! Diese Einsicht hat sich auch vielerorts herumgesprochen:
„Ja, volle Übereinstimmung! Wir verschenken zu viel Potenzial durch den täglichen erschöpfenden Dauerkampf mit Verwaltungsangelegenheiten, weil wir uns nicht trauen, wegzulassen und Platz zu machen für Eigenverantwortlichkeit und gesunden Menschenverstand.“
Kurzes nachdenkliches Innehalten und dann kommt das, was ich allzu häufig höre. Und zwar quer durch alle Branchen:
„Aber … na, ja, du weißt ja, wie das ist. Wir sind ein Finanzinstitut, ein Pharmaunternehmen, eine Versicherung, eine Bundesbehörde, ein Lebensmittelhersteller und so weiter und so fort … Ich sage nur Compliance … Da bleibt kein Freiraum. Wie eine Zwangsjacke. Regeln. Vorschriften. Ich würde wahnsinnig gerne so vieles ändern … aber es geht nicht.“
Okay, ich kann all diejenigen, die mir ähnliches berichten, gut verstehen. Denn es stimmt ja: Da gibt es 735.568 Richtlinien, die peinlich genau einzuhalten sind. Genehmigungsprozeduren. Monatsberichte. Prüfverfahren. Messgrößen. Entscheidungsfindungsprozesse …. Ja, die existieren wirklich. Das ist so.
Aber heißt das wirklich, dass du nichts ändern kannst?
Stimmt es wirklich, dass du all diese Dinge tun MUSST? Oder SOLLTEST du sie nur tun?
Gesetze versus Hausregeln
Müssen oder sollen, das ist nämlich ein himmelweiter Unterschied!
Denn es gibt beides: Einerseits gesetzliche Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Daran gibt es nichts zu rütteln! Andererseits gibt es aber auch jede Menge Vorschriften, die bei genauerem Hinsehen nichts weiter als selbstgemachte Hausregeln sind. Und die sind per Definition im Hause änderbar.
Sie fühlen sich zwar an wie MUSS-Regeln, sind aber nur SOLL-Regeln.
Wer diese als Gesetze getarnte Hausregeln nicht ab und zu infrage stellt, leidet unter der vom Psychologen Martin Seligman bezeichneten „Erlernten Hilflosigkeit“.
Man hat dir mal gesagt: Das ist so! Also hast du das übernommen und dich damit selbst limitiert. Allerdings ist das nach einiger Zeit ja auch eine bequeme Ausflucht, die dich davon entbindet, die so heftig kritisierten Zustände zu ändern, weil es scheinbar „nicht geht“.
Aber natürlich geht es!
Also nochmal: Sich über die zahllosen Regeln aufzuregen, die selbstverantwortliches Arbeiten lähmen und oftmals sogar noch die beste Lösung im Sinne des Kunden behindern, ist verständlich. Aber diesen Ärger im Bauch solltest du nutzen, um dort anzusetzen, wo du tatsächlich etwas verändern kannst.
Bundes-wehr-dich
Aus diesem Grund bin ich extrem beeindruckt von der Graswurzelbewegung in einer Organisation, die ich bis dato eher als Synonym für eine bürokratische Institution wahrgenommen habe. Eine Organisation, in der es wahnsinnig leicht wäre, sich seinem Schicksal zu ergeben und zu sagen: „Is so, kann ich nix machen.“
Dass es aber anders geht, dass sich Veränderung vorantreiben lässt, wenn leidenschaftlich motivierte Menschen das wirklich WOLLEN, zeigt das Beispiel der Bundeswehr. Ja, richtig gelesen. Die Bundeswehr!
Adminimum: Wir. Vermeiden. Bürokratismus
Das Projekt heißt Adminimum: Wir. Vermeiden. Bürokratismus.
Im Kern geht es darum, die Mündigkeit der Soldaten und Soldatinnen zu stärken. Das große Ganze in den Blick zu nehmen, statt nur auf den eigenen kleinen Zuständigkeitsbereich zu schauen und dumpf die Regularien zu befolgen.
Frei nach dem Motto: Bundes-wehr-dich! hat der Initiator, Kapitän zur See Johannes Schmidt-Thomée, mit seinem Team dafür ein IT-Tool zur Lösung von Problemen mit Schwarmintelligenz entwickelt. Oberst im Generalstabsdienst Peter Wittenbruch aus dem Einsatzführungskommando unterstützt das Team. Mehr zum Projekt hier.
Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen und kommt gerade erst ins Rollen, dennoch hat mich der Ansatz beeindruckt, weil er klug, durchdacht und eine ziemlich interessante Blaupause ist – auch für andere Organisationen.
Bürokratismus? Jeder und jede leisten da ihren Beitrag
Das IT-Tool, das die Schwarmintelligenz anzapft, wird flankiert von einer Graswurzelbewegung, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, einen Kulturwandel zu initiieren.
Denn das ist der entscheidende Punkt: Nicht hier und da ein paar unsinnige Regeln streichen, sondern das Problembewusstsein der Menschen wecken und die Einsicht schärfen, dass jeder und jede seinen Beitrag zu überbordender Bürokratie leistet. Denn die Realität ist, dass Menschen in einer Organisation auf zwei Ebenen ihren „Beitrag“ leisten:
- Diejenigen, die den Drang verspüren, aus falsch verstandenem Risikovermeidungsbewusstsein und Kontrolldenken alles bis ins kleinste Detail zu regeln. Und …
- Diejenigen, die diesen Zustand einfach kritiklos hinnehmen und nichts dagegen tun!
Deshalb, so die Überzeugung von Wittenbruch und Thomée, die ich aus vollem Herzen teile: Jede Organisation braucht Systemsprenger. Und zwar nicht nur einige wenige Systemsprenger, die bei uns Rebels at Work heißen. Was es braucht, ist ein breites Bewusstsein dafür, dass Vorschriftenhörigkeit und Verantwortungsscheu das Fegefeuer der Moderne sind.
Adminimum hat sich vorgenommen, die Abkehr von der Resignation auszulösen und Momentum zu erzeugen.
Essenziell dafür: Immer wieder die Warum-Frage zu stellen:
- Warum machen wir das so?
- Warum gibt es diese Vorschrift?
- Warum machen wir es nicht anders, nämlich so …
Wer Bürokratie sät, wird Ohnmacht ernten
Das Adminimum Projekt zeigt, was im Zentrum jeder vernünftigen Organisation stehen sollte:
Menschen, die Selberdenker sind und sich als Gestalter verstehen. Mündige Individuen, die mit intelligenter Reflexion und konstruktivem Hinterfragen der gemeinsamen Sache dienen.