Paul Graham hat mir die Augen geöffnet. Dieser interessante Typ ist Programmierer, Buchautor, Miterfinder des Gründerzentrums „Y Combinator“ und in der amerikanischen Technologieszene eine Art Popstar. Neulich stolperte ich über einen Artikel von ihm, der die wohl beste Erklärung für ein Phänomen enthält, das ich bisher reichlich rätselhaft fand.
Zwei Menschentypen – zwei Einstellungen
Worum geht’s?
Darum, dass es zwei Typen von Menschen gibt. Die einen mögen Besprechungen, spontane Treffen oder ein schnelles Telefonat. Die anderen hassen das regelrecht.
Letztere bekommen schon Pickel, wenn nur der vage Gedanke aufkommt, man sollte „sich doch mal auf einen Kaffee zusammensetzen, um mögliche Anknüpfungspunkte auszuloten“ oder gar – Gott bewahre! – „sich mit allen Betroffenen mal an einen runden Tisch setzen“.
Die Ersteren verstehen das überhaupt nicht. Sie empfinden das als völlig normal und fühlen sich pudelwohl dabei, durch abwechselnde Stimmband-Benutzung gemeinsam Herausforderungen zu meistern.
Zwei Menschentypen – zwei Kalender
Du merkst schon, ich gehöre zur letztgenannten Gruppe. Mein Problem war bislang nur, dass ich einfach nicht verstehen konnte, warum jemand zum Beispiel spontane Telefonate, Abstimmungen oder Meetings toll findet. Doch seit Grahams Artikel habe ich es kapiert!
Der Punkt ist, dass es zwei grundverschiedene Einstellungen gibt, wie Menschen ihre Zeit verwenden. Und das kannst du symptomatisch anhand der zwei Arten, wie Terminkalender benutzt werden beobachten.
1. Kalender der Manager
Die einen unterteilen typischerweise den Wochenkalender in Halbstunden- oder Stundenintervalle und befüllen diese kurzen Abschnitte mit unterschiedlichen Aufgaben. Für diese Menschen ist es ziemlich simpel, einen Termin für ein Treffen oder ein Telefonat zu finden: Einfach die nächste Leerstelle finden, Termin einbuchen, fertig. In aller Regel sind Führungskräfte so getaktet und verwalten genauso ihren Kalender. Oder lassen ihn so verwalten. Es ist der Kalender des Managers.
2. Kalender der Macher
Ganz anders die anderen: Sie teilen ihre Woche gern in Halbtages- oder Ganztages-Abschnitte ein. Das tun sie, weil sie in diesen großen Zeitblöcken etwas produzieren, konzipieren, entwickeln. Menschen wie Programmierer, Texter, Autoren, Grafiker. Ein Programmierer kann nicht einfach eine halbe Stunde lang Code schreiben, dann aufstehen, ins Meeting gehen und danach nahtlos weitermachen. Solche Unterbrechungen des geistigen Flusses rauben ihm Produktivität. Das ist der Kalender des Machers.
Manager und Macher also. Das Problem dabei ist: Die Manager wollen (unabsichtlich) die Macher in ihr Halbstunden-Raster zwingen. Wenn sie ein Meeting ansetzen, zur Tür hereinschneien oder zwischendurch mal anrufen, dann ahnen sie nicht einmal, welche Qualen sie beim Macher auslösen. Jede Art von Echtzeit-Kommunikation, in der die Manager schwimmen wie der Fisch im Wasser, reißt den Macher aus seiner tiefen Konzentration. Und dann dauert es sehr lange, bis er wieder auf dem geistigen Niveau angekommen ist, das er zuvor hatte.
Wenn beide Kalendertypen sich reiben
Damit keine Missverständnisse aufkommen. Beide Menschentypen, beide Sorten der Zeiteinteilung und beide Kalender haben ihre Berechtigung. Ja, bei Lichte betrachtet haben wir alle sowohl den Manager als auch den Macher in uns, in unterschiedlichen Dosierungen. Zum Problem wird es nur dann, wenn beide Menschentypen aufeinander stoßen. Da es zumeist eher der Chef ist, der im Managermodus arbeitet, setzt der in der Kommunikation seinen Modus durch. Und ärgert sich dann auch noch darüber, dass die Macher nichts gebacken bekommen, weil sie nicht in der erwünschten Qualität und Geschwindigkeit liefern.
Liebe Manager: Macher können nur dann in hoher Qualität liefern, wenn ihr sie in langen und ununterbrochenen Zeitintervallen in Ruhe arbeiten lasst!
Und liebe Macher: Die Manager unterbrechen euch nicht, weil sie euch auf den Geist gehen wollen, sondern weil sie kommunizieren müssen, um ihren Job zu machen!
Wie wäre es hiermit? Montag, Mittwoch und Freitag sind Macher-Tage. Also keine Meetings, keine E-Mails, keine Anrufe. Es gibt nur eine spezielle Telefonnummer für dringende Notfälle. Dafür folgen die Dienstage und Donnerstage dann dem Kalendermodus der Manager. Da werden dann die liegen gebliebenen Mails beantwortet und Meetings besucht. Einverstanden?
Abtauchen, auftauchen
Ich bin davon überzeugt, dass das gut funktionieren kann. Warum? Weil ich selbst es so mache. Und zwar schon seit Jahren. Zwar sind es bei mir keine festen Wochentage, in denen ich den Modus wechsle, sondern eher längere Phasen, aber das Prinzip ist das gleiche: Wenn ich einen Artikel, eine Kolumne schreibe oder an einem neuen Vortrag oder Buch arbeite, dann bin ich im Macher-Modus. Das bedeutet, dass ich mich in Halbtagesblöcken abnable.
Alles, was notwendig ist, damit das Leben drumherum irgendwie weitergeht, mache ich, aber reduziert. Abzutauchen ist notwendig, sonst kann ich nicht denken, konzipieren und schreiben. Ich leite darum das Telefon auf den Anrufbeantworter weiter und lehne jede Einladung ab, die nicht unbedingt notwendig ist. Und wenn man mich in solchen Phasen dennoch zufällig mal bei einer Einladung antrifft, dann eher mit Ungeduld, denn ich will so schnell wie möglich in den Macher-Modus zurück und bin nicht wirklich bei der Sache.
Jetzt, nachdem ich die weisen Worte von Paul Graham gelesen habe, fühle ich michdeutlich weniger schrullig. Ich weiß einfach: Ich brauche die Managerphasen, weil ich so mit meiner Umwelt kommunizieren kann. Und ich brauche die Macherphasen, weil es der effektivste Weg ist, meine Sachen gebacken zu bekommen.
PS: Wie wir unsere Prioritäten mit dem 40-40-20 System in den Griff bekommen, haben wir hier schon einmal beschrieben.