„Seit Monaten bekomme ich kaum Erholung.“ – „Ich arbeite sogar am Wochenende …“ – „Morgens bin ich der erste, der ins Büro kommt und abends der letzte, der das Licht ausmacht.“
Solche Klagelieder hören wir immer wieder – in Unternehmen, auf Firmenveranstaltungen, auf der Straße, in unserem Bekanntenkreis. Als gäbe es in unserer Gesellschaft das ungeschriebene Gesetz: Nur wer sich für seinen Job aufreibt, arbeitet HART genug. Nur wer VIEL arbeitet, arbeitet gut genug. Nur wer regelmäßig ÜBER seine Belastungsgrenze hinausgeht, ist engagiert, loyal – und wertvoll genug.
Lange Anwesenheit schafft noch keinen Mehrwert
Die Frage ist nur: Was ist genug? Wie wird eine Leistung genug? Durch lange Arbeit? Durch permanente Überlastung? Oder anders ausgedrückt: Muss man heute ein Workaholic sein, um für sein Unternehmen einen echten Wert zu schaffen?
Vor 100 Jahren musste man dafür auf jeden Fall hart arbeiten. Und mit hart meinen wir wirklich HART – und LANGE – und körperlich belastende Tätigkeiten. Als der Großteil der Menschen noch in der Landwirtschaft und in Fabriken schufteten, ließ sich das Arbeitsergebnis eines Tages anhand einfachster quantitativer Parameter messen: an der Anzahl der gebundenen Heuballen oder der zusammengeschraubten Radiogeräte.
Je länger ein Arbeiter am Fließband stand, desto mehr Geräte stellte er fertig. Je schneller er arbeiten konnte, desto schneller konnte man das Fließband einstellen. Und je mehr Einheiten er fertig stellte, desto mehr Wert schuf er für das Unternehmen. Das Arbeitsergebnis stand also in direktem Verhältnis zur aufgewendeten Arbeitszeit und zur Arbeitsgeschwindigkeit. Lange körperlich anstrengende Arbeit, das ist hart.
Von morgens ganz früh bis abends ganz spät das ergonomische Sitzkissen im klimatisierten Büro zu wärmen, kann anstrengend sein – keine Frage. Aber die typische Büroarbeit heute unterscheidet sich prinzipiell von echter harter Arbeit: Der Output wird durch lange Anwesenheit nicht automatisch wertvoller.
Wirkliche Wertschöpfung
Die Wertschöpfung eines Arbeitstags wächst heute nicht mehr mit Bandlaufgeschwindigkeiten, Stückzahlen und Arbeitsstunden, sondern mit dem erbrachten Nutzen, der Präzision, den innovativen und kreativen Lösungen, den wertschöpfenden Angeboten, die einen echten Unterschied machen.
Was früher den Chefs vorbehalten war, ist heute für jeden Mitarbeiter ein Muss: Mitdenken. Weiterdenken. Neue Dinge anstoßen, die wirklich bemerkenswert sind. Schwierige Diskussionen führen, um außergewöhnliche Projekte anzustoßen. Sich für eine neue, risikobehaftete aber Erfolg versprechende Alternative einsetzen – auch wenn der tradierte Weg gut funktioniert hat. Die Grenzen des Machbaren ein Stück weit zu verschieben: Das ist in Wahrheit HARTE Arbeit.
Und die einzig wertvolle Arbeit!
Und die ist völlig unabhängig vom Faktor Zeit. Denn der herausragende Wert steckt oft nur in wenigen Minuten pro Tag.