Das „Team“ ist zum Fetisch der modernen Arbeit geworden.
Es wird Zeit, über die Nachteile zu sprechen. Laut einer Schätzung der Forscher Adam Grant und Rob Cross verbringen Büroarbeiter heute 50 Prozent mehr Zeit in Team-Aktivitäten als vor 20 Jahren. – Ist das nicht toll? Mehr gemeinsam. Mehr Austausch. Mehr Netzwerk. Mehr Kollaboration. Wie schön! Denn gemeinsam sind wir stark. Wir halten zusammen, heute, in der We-Conomy, wo Wir-Intelligenz und Network-Thinking obsiegen. Fantastisch! Wo Kollaboration und Teamwork die gesamte Arbeit zur Team-Challenge macht. Das fühlt sich so gut an! Es lebe das Kollektiv!
Wirklich?
Nein!
Nein, das ist nicht fantastisch. Und es hört sich auch nicht gut an. Sondern es geht mir mächtig auf den Geist! Das „Team“ ist zum Fetisch der modernen Arbeit geworden. Teamfähigkeit? Die Mutter aller Schlüsselqualifikationen. Alle werden auf das „Wir“ und auf das „Gemeinsam“ abgerichtet als wäre moderne Arbeit im 21. Jahrhundert vergleichbar mit einem Klavier, das zu viert durchs Treppenhaus nach oben geschleppt werden muss.
Nein, der Teamglaube braucht einen kräftigen Schuss Realität: Lasst uns über die Nachteile sprechen!
Eigentlich könnten wir alle die Arbeitswoche eine Woche vorher anfangen, denn jeder Tag ist vollgestopft mit Meetings, Besprechungen, Gesprächen, Abstimmungen, Telkos und noch einem Meeting. Morgens geht’s los mit der Frühbesprechung, das Arbeitskreismeeting dauert dann bis zum gemeinsamen Mittagessen. Oh je, haben wir eigentlich schon die Präsentation für das Projektmeeting am Nachmittag vorbereitet? Egal, noch schnell ein paar interne Abstimmungsmails beantwortet, dann auf ins Getümmel! Dann sind noch ein paar Meetingprotokolle zu lesen, dann braucht es eine Nachbesprechung. Und natürlich die Vorbesprechung für die große Telko am nächsten Morgen.
Und schwupp ist der Tag rum, es wurde jede Menge schlechte Luft in Besprechungsräumen weggeatmet und das Wir-Gefühl war stärker denn je – aber Zeit zum konzentrierten Nachdenken? Fehlanzeige. Zeit für eigene Ideen? Wann denn? Kreativarbeit? Keine Chance! Lieber den Teamgeist beschwören als Selbstverantwortung übernehmen. Reden erspart auch das Denken. Was dann kommt, kennen viele: Um in Ruhe was Vernünftiges zu arbeiten, um endlich zu Ergebnissen zu kommen, nimmt man dann die Arbeit und den Laptop mit nach Hause. Denn zwischen Abendessen und Schlafengehen ist die produktivste Zeit des Tages. Warum? Weil man da endlich alleine ist!
Brainstorming im Team gilt gemeinhin als der goldene Weg, damit eine Gruppe von Individuen auf bessere Ideen kommt. Das Zusammen-Denken im Team ist eben produktiver als Alleine-Denken, sagt man. Aber ist das so? Forschungen in Psychologie und Soziologie zeigen, dass Teams häufig eine Tendenz zum Herdentrieb und zur Konformität entwickeln. Abweichler werden wie Antikörper abgestoßen. Entweder man blökt mit der Herde oder man muss sein Büroleben als nicht teamfähiger Außenseiter fristen. Das will keiner, denn das Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist zu mächtig. Früher wurden Konformisten als Schafe wahrgenommen, als Herdentiere. Heute nennt man dasselbe Verhalten „Teamgeist“.
Du kennst das: Das Meeting zieht sich schon seit Stunden hin. Es ist spät geworden. Der Magen knurrt. Du starrst auf die Uhr und willst nur noch eins: Endlich nach Hause. Wenig überraschend, dass es den anderen auch so geht. Was passiert? Der Entscheidungsdruck steigt. Ein Ergebnis muss her, eine vorzeigbare Ausbeute für stundenlanges Ausharren bei schlechtem Kaffee und pappigen Keksen. Also wird häufig der kleinste gemeinsame Nenner, dem alle irgendwie zustimmen können, angenommen. Uff – geschafft. Wer womöglich die Sinnhaftigkeit der hektischen Beschlussfassung in Frage stellt, gilt als potenzieller Brutus – als niederträchtiger Verräter des Kollektivs.
Rechnet sich das für das Unternehmen? Nein!
Kostet es Nerven und Energie? Selbstverständlich!