Mitarbeiter verlassen Chefs – nicht ihre Jobs

Der größte Mythos: Mitarbeiter verlassen Chefs – nicht ihre Jobs

Eine kleine Aufgabe zum Knobeln …

Finde die Aussage, die NICHT zutreffend ist:

  1. Der Mensch nutzt nur etwa 10 Prozent seiner Gehirnkapazität.
  2. Ein Hundejahr sind sieben Menschenjahre.
  3. Menschen verlassen Chefs – nicht ihre Jobs.
Die Auflösung:

Alle drei Aussagen sind Quatsch.
Mythen, die zwar immer wieder heruntergebetet werden, aber längst widerlegt sind.

Die Aussage zur zehnprozentigen Nutzung unseres Gehirns soll angeblich von Albert Einstein stammen. Doch gibt es weder einen Beleg, dass er das je gesagt hätte, noch dass es inhaltlich stimmt. Auch der Mythos, dass ein Hundejahr sieben Menschenjahren entspräche, hält sich hartnäckig, ist aber im Kern falsch. Die Realität zeigt ein sehr viel differenzierteres Bild. Ebenso verhält es sich mit der Weisheit, dass Chefs der Abwanderungsgrund Nummer eins wären, was bei näherer Betrachtung ins Fabelreich folkloristischer Personalweisheiten gehört.

Schauen wir uns das mal näher an:

Wen oder was verlassen Mitarbeitende denn eigentlich, wenn sie gehen?

Wharton Professor Adam Grant hat gemeinsam mit HR-Experten des Facebook-Konzerns, der jetzt Meta heißt, jede Menge Exitgespräche analysiert. Also Gespräche mit denjenigen, die den Konzern verlassen haben.

Das Ergebnis:

Die Entscheidung zum Ausstieg war der Arbeit geschuldet. Talente sind gegangen, weil ihr Job keinen Spaß mehr machte, ihre Stärken nicht genutzt wurden und sie in ihrer Entwicklung nicht vorankamen. Wer also gute Leute zum Bleiben bewegen möchte, sollte der Gestaltung der Arbeit sehr viel Aufmerksamkeit schenken.

Das bedeutet auch, konventionelle Logik zu hinterfragen. Die meisten Unternehmen entwerfen Jobs und stecken dann Bewerber hinein. Grant sagt: Die besten Führungskräfte machen das Gegenteil. Wenn sie talentierte Leute finden, sind sie offen dafür, Jobs um sie herum zu gestalten.

Vier Wege, um Jobs zu designen, die für Menschen einen echten Unterschied machen:

1. Job-Design mit dem Faktor FLEXIBILITÄT

Der Schlüssel liegt NICHT darin, erst den Job zu designen und dann den Mitarbeitenden in diese Rolle „hineinzustecken“ – frei nach Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht. Sondern flexibel vorzugehen und nach Möglichkeiten zu suchen, zum Mitarbeitenden passende Arbeitselemente in den Job einzubauen.

Wenn beispielsweise ein Experte aus dem IT-Bereich mit dem Gedanken spielt, das Unternehmen zu verlassen, weil er sich wünscht, vor Studenten zu stehen und sein Wissen an die junge Generation weiterzugeben, dann wäre es Schwachsinn mit den Schultern zu zucken und zu sagen: „Seeehr schade, Hansjürgen, aber dann müssen wir dich leider ziehen lassen.“

Warum nicht beides miteinander verbinden? Die Arbeit als IT-Experte im Unternehmen und die Tätigkeit als Dozent? Das wäre sogar ein Triple Win: Hansjürgen, unser IT-Experte, wäre mit sehr viel mehr Freude bei der Arbeit. Die Studierenden würden einen Einblick in die Unternehmenspraxis erhalten. Und die HR-Abteilung würde auch einen Freudensprung machen, weil es dem Hochschulmarketing und dem Recruiting junger Talente dient!

2. Job-Design mit dem Faktor SEHEN-WAS-MAN-MACHT

Menschen fühlen sich zu ihrer Arbeit hingezogen, wenn sie mit Sinnhaftigkeit verbunden ist. Das ist wohlgemerkt kein Luxusgut, das nur in akademischen Berufen zum Tragen kommen sollte – sondern auf j-e-d-e-m Joblevel.

Sinn heißt schlicht und ergreifend: Warum tust du überhaupt das, was du tust? Welcher tiefere Sinn oder welche Absicht stehen für dich dahinter? Welchem Zweck dient das Ganze? Was willst du mit deiner Arbeit bewirken?

Eine Studie von Harvard-Wissenschaftlern bestätigt, dass die Beantwortung dieser Fragen signifikante Auswirkungen auf die Motivation, das Engagement und die Qualität des Arbeitsergebnisses hat. In einer Untersuchung, die mit Köchen und ihren Gästen durchgeführt wurde, zeigte sich, dass die Motivation von Köchen signifikant stiegt, wenn sie die Gäste sehen konnten. Und ebenso bemerkenswert: die Zufriedenheit der Gäste mit der Qualität des Essens stieg, wenn sie die Köche sehen konnten!

Sinn als Antrieb zur täglichen Arbeit kann nicht durch Geld ersetzt werden. Bonuskarotten als Lockmittel? Das greift nicht mehr. Und sollte es doch funktionieren, dann ist dein Unternehmen bereits erledigt, weil es die falschen Leute eingestellt hat.

Der Weg, um Menschen nachhaltig zu motivieren und ihre Loyalität gegenüber dem Unternehmen zu verstärken, besteht darin, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Menschen Sinn in ihrer Aufgabe finden. Vergiss die luftigen, künstlich mit Sinn angereicherten Mission-Statements! Es geht um echten Sinn. Und das bedeutet: den Menschen zuhören. Aufrichtig und interessiert zuhören. Verstehen, was sie antreibt. Mittel und Wege finden, um sie das Ergebnis ihrer Arbeit fühlen oder (wie im Fall der Köche) sehen zu lassen.

3. Job-Design mit dem Faktor STÄRKEN

Das Geheimnis liegt darin, dass Menschen im Dienst an einer Aufgabe eine Leistung erbringen, die es ihnen erlaubt, ihre Stärken einzubringen. Der erste Schritt, um diesen Stärken auf die Spur zu kommen, ist oft gar nicht schwer. Einfach mal die Klappe halten. Zuhören. Vertrauen. Machen lassen.

Genau das habe ich vor einiger Zeit bei einem Unternehmensevent in Hamburg erlebt. Die Location: Strand-Atmosphäre statt biederem Vortragssaal. Flipflops, entspannte Gesichter und eine sehr lockere, entspannt heitere Atmosphäre. Als ich im Anschluss an meine Keynote mit der Assistentin der Geschäftsführung sprach, die dieses Event organisiert hatte, stellte sich heraus, dass niemand die junge Frau damit beauftragt hatte, eine „Beach“-Konferenz auszurichten. Niemand hatte sie überhaupt gebeten, irgendwas zu organisieren. Sie hatte sich den Job schlichtweg geschnappt – und dann grünes Licht von der Geschäftsführung erhalten.

Es braucht also zwei Elemente zum Gelingen: Erstens: Finde die Dinge, die dein Herz höherschlagen lassen und suche dir dann zweitens Spielfelder, wo das auch gewünscht und unterstützt wird!

 

 

4. Job-Design mit dem Faktor PERSÖNLICHES WACHSTUM

Menschen wollen sich weiterentwickeln und ihr volles Potenzial ausschöpfen. Persönliche Weiterentwicklung funktioniert aber nicht mit einem flächendeckenden Beglückungsprogramm mit starren, vorgeschriebenen Kursmodulen.

Mitarbeitende sind keine homogene Masse, die per Entwicklungsbauplan des betrieblichen Bildungswesens undifferenziert „beglückt“ werden. In solchen One-size-fits-all Veranstaltungen (und die gibt es leider noch reichlich) wird von einem vereinheitlichten Mitarbeitenden ausgegangen, der überdies die Werte des top-down verordneten Entwicklungsbauplans teilt. Frei nach dem Motto: „Wir, die Personalentwicklung, haben einen Schlüssel, der auf alle Schlösser passt.“ „One size fits all“ funktioniert nicht einmal bei Fahrradhelmen – warum also sollte es für Mitarbeitende funktionieren?

Es geht darum, sich um menschliche Bedürfnisse zu kümmern und einen individuellen Entwicklungsplan für jeden Mitarbeitenden zu erstellen – oder besser noch: die Leute selbst machen zu lassen.

Über das Vorgehen der sogenannten „Teachbacks“, das die größte Bank Südostasiens eingeführt hat, haben wir hier geschrieben. Prädikat: Beispielsetzend!

Aber Achtung! Diese vier Wege, um Jobs zu designen, die für Loyalität sorgen und für die Mitarbeitenden einen Unterschied machen, sind nicht bequem. Für beide Seiten – nicht für den Arbeitgeber und nicht für die Menschen, die in den Organisationen arbeiten. Statt top-down Menschenführung geht es um Selbstverantwortung, Selbstreflexion und das Hinterfragen von alten Erfolgsmustern und Bauplänen.

Und das ist auch gut so.

Wir glauben, dass Menschen ihre Arbeit wichtig ist. Und zwar nicht nur, um die Miete bezahlen oder Kredite bedienen zu können. Sie wollen, dass dabei auch Sinn entsteht und etwas zum Nutzen anderer herauskommt. Und deshalb strengen sie sich an. Jeden Tag.