„Erst wenn der Chef geht, ist Feierabend!“, sagt Anna, eine Bekannte von mir. Sie war gerade für ein Jahr beruflich in Seoul und erzählt mir von ihren Erfahrungen in Korea: „Vor dem Chef das Büro zu verlassen, ist tabu!“
Andere Länder, andere Sitten?
Hm. Vielleicht.
Hierzulande geht es zumeist nicht so hierarchisch zu wie in Fernost. Dennoch gilt bei so manchen Chefs immer noch derjenige als idealer Mitarbeiter, der kein Privatleben hat – weil er am liebsten zehn Stunden und mehr im Büro verbringt.
Nein, Burn-out ist dabei gar nicht mein Thema. Ich will auf etwas anderes hinaus: Bei sich ausdehnender Arbeitszeit wird die Qualität der Ergebnisse nicht besser. Tatsächlich brauchen wir nicht mehr Arbeitsstunden, sondern optimal genutzte Arbeitsstunden!
Vom Wert der wenigen Stunden
Das Fabrikzeitalter ist vorbei: Die Wertschöpfung wächst nicht mit Bandlaufgeschwindigkeiten, Stückzahlen oder Produktionsstunden, sondern mit dem erbrachten Nutzen, mit der Wertschöpfung für den Kunden – und die ist ziemlich unabhängig vom Faktor Zeit.
Der herausragende Wert der Arbeit steckt oft nur in wenigen Stunden pro Tag.
Darum hat Stephan Aarstol, der CEO von Tower Paddle Boards, im Jahr 2015 beschlossen: Wir arbeiten ab sofort nur noch fünf Stunden pro Tag.
Pause. Luft holen.
Wirklich wahr: Jeder arbeitet nur noch von acht bis eins und MUSS dann heimgehen!
Es geht noch weiter: Das Gehalt wird dabei annähernd verdoppelt und alle Mitarbeiter werden mit fünf Prozent am Gewinn beteiligt. Nur muss ab sofort jeder Mitarbeiter eben doppelt so effizient arbeiten wie ein Durchschnittsmitarbeiter bisher.
Pause. Luft holen.
Nur 5 Stunden und doppelt so effizient wie bisher!
Aarstol schreibt darüber in FastCompany: „Es war die härteste Entscheidung meines Lebens. Aber heute sind meine Mitarbeiter glücklicher und insgesamt produktiver.“ – Und seit der Umstellung ist der Umsatz um 40 Prozent gestiegen.
Allerdings zog er es auch wirklich konsequent durch: Diejenigen Mitarbeiter, die ihre Arbeit nicht in fünf Stunden schafften, wurden zum Verlassen des Unternehmens bewegt.
Das ist radikal.
Natürlich.
Wie kann das funktionieren?
So ein Konzept funktioniert nicht für jeden. Wer keine Notwendigkeit darin erkennt, darüber nachzudenken, ob er seine Arbeitszeit wirklich gut nutzt und wie er sein Pensum schneller hinbekommen könnte, ist in einem solchen Umfeld fehl am Platz.
Meine Empfehlung lautet nicht, das buchstabengetreu zu kopieren. Dennoch steckt in dem Beispiel eine Erkenntnis: Bei begrenztem Zeitbudget ist man gezwungen, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren, die einen wertschöpfenden Unterschied machen.
Wie du das in deinem Unternehmen umsetzen kannst, dazu hat Aarstol Tipps gegeben. Drei sehr brauchbare habe ich herausgefiltert:
- 80-20-Regel mit Fokus: Das Pareto-Prinzip besagt, dass stets etwa 80 Prozent der Ergebnisse mit 20 Prozent des Gesamtaufwands erreicht werden. Identifiziere die produktiven 20 Prozent deiner Tätigkeiten und konzentriere dich darauf, genau diese auszubauen – ohne auch nur eine Minute länger zu arbeiten. Was dadurch wünschenswerter Weise unter den Tisch fällt, sind die unproduktivsten Tätigkeiten.
- Nein zur konstanten Verfügbarkeit: Die größte Sorge Aarstols war, dass der Kundenservice leiden könnte, wenn ab 13:00 Uhr niemand mehr erreichbar sein würde. Die Überraschung: Da die Kunden gut darüber informiert wurden, wann das Team für sie erreichbar ist, gab es damit keine Probleme. Die Zahl der Anrufe blieb konstant, sie konzentrierten sich nur auf das engere Zeitfenster.
- Ja zur Technik: Damit für die Mitarbeiter im Lager und im Kundenservice die Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichen Ergebnissen und ohne Aufstockung der Mitarbeiterzahl möglich wurde, mussten intelligente technische Lösungen entwickelt werden. Im Klartext: Automatisierung wo es nur ging. Im Lager wurde die Zeit fürs Verpacken und Versenden durch eine Software verringert. Der Kundendienst überarbeitete die FAQs auf der Website und erstellte Video-Tutorials, um den Kunden proaktiv zu helfen. Der Effekt: mehr Hilfe zur Selbsthilfe für die Kunden.
Denk das mal für dich durch:
Was würdest du konkret verändern, wenn du jeden Tag nach nur fünf Stunden nach Hause gehen würdest?
Was würdest du weglassen?
Worauf würdest du dich fokussieren?
Was würdest du automatisieren?
Und jetzt: Mach es!