Der Blick über den Tellerrand der Branche

Matratzen-Park-Management

Stell dir vor, du hast die letzten zehn Jahre verpennt. Nun wachst du auf und … alles in deiner Branche ist irgendwie anders. Spannend! Es hat sich doch tatsächlich etwas bewegt.

Allerdings: Normalerweise verpennst du nicht zehn Jahre. Wenn du dich also heute in deiner Branche umsiehst, entdeckst du  … nichts. Aber auch gar nichts. Nichts Neues jedenfalls. Du kennst schon alles. Deshalb ist es eine so gute Idee, dich nicht in deiner eigenen Branche umzuschauen. Sondern in einer anderen. Denn was dort absoluter Standard ist, kann hier revolutionär sein.

Auto und Matratze

Ein 120 Jahre altes Familienunternehmen aus der Schweiz mit knapp 60 Mitarbeitern hat das genau so gemacht. Was dabei herausgekommen ist, halten wir für eine blitzsaubere Brancheninnovation.

Es geht um Matratzen. Die Firma Elite ist eine hochspezialisierte Bettenmanufaktur. Und die hatte ein dickes Problem: Der Franken ist eine äußerst harte Währung und die Schweiz ist ein Hochlohnland – was nichts anderes heißt, als dass die Wettbewerber aus anderen Ländern Matratzen zu einem Bruchteil des Preises herstellen und anbieten können. Im Preiswettbewerb konnte Elite nur verlieren. Was also tun? Billiger produzieren? Schlechtere Qualität anbieten? Aufgeben?

Elite bekam in dieser schwierigen Lage in François Pugliese einen neuen Geschäftsführer. Und der hatte seine beruflichen Wurzeln in der Autoindustrie. Ein Quereinsteiger mit frischem Blick also. Und den nutzte er: Auto plus Matratze … was für ein irrer Mix! Was kann dabei herauskommen?

Heraus kam die Idee, die Matratzenflotte von Hotels so zu managen wie einen Fuhrpark! Die Hotels kaufen die Matratzen nicht, sondern leasen sie. Bezahlt wird dabei nicht die Matratze, sondern deren Nutzung durch die Hotelgäste.

Digitalisierung der Matratze

In jede Matratze ist ein SIM-Karten-Chip eingebaut, der die Benutzung der Matratze registriert und an die Firmenzentrale funkt. Dort wird Statistik geführt und exakt monatsweise abgerechnet. Das heißt: Die Matratze kostet den Hotelier nur dann etwas, wenn er eine Übernachtung verkauft hat. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Traumlösung: Aus Fixkosten werden variable Kosten, Risiko gleich null.

Außerdem meldet Elite seinem Hotelier den idealen Zeitpunkt, wann die Matratzen gewendet werden sollen und tauscht abgenutzte Matratzen aus. Alles inklusive.

Ein solches Preismodell ist in der Autoindustrie ein alter Hut, aber sowohl für die Betten- als auch für die Hotelbranche eine Revolution in Sachen Kundenorientierung. Der Hoteldirektor des Golf-Hotels in Villars-sur-Ollon am Genfer See nennt es „eine einfache Gleichung: Win-Win-Win, Hotel-Gast-Hersteller.“ Und der Erfolg ist groß. Elite konnte selbst Wettbewerber, deren Preise nur ein Viertel betragen, spielend hinter sich lassen.

Der Blick über den Tellerrand der eigenen Branche

Diese ausgeschlafenen Matratzenbauer haben umgesetzt, was wir seit Jahren nicht müde werden zu betonen:

1. Wohin du schaust, bestimmt, was du siehst

Diesseits des Tellerrandes findest du Sicherheit, Routine, Gewohntes. Das hat etwas für sich, ist aber langweilig und führt vor allem zu einem Ergebnis: mehr desselben. Der von uns sehr geschätzte Paul Watzlawick nennt dieses Prinzip „eines der erfolgreichsten und wirkungsvollsten Katastrophenrezepte“, auf das die Menschen gekommen seien. Und er hat Recht. Wir erleben es immer wieder – sowohl im wirtschaftlichen wie auch im privaten Umfeld: Menschen halten stur an Lösungen fest, die irgendwann einmal durchaus erfolgreich waren, aber mittlerweile ihr Haltbarkeitsdatum schon lange überschritten haben. Dabei ist die Lösung naheliegend … sie findet sich jenseits des Tellerrandes. Dort beginnt der wimmelnde Dschungel der Ideen, das Paradies der Querdenker.

Also: Schnapp dir eine Machete und bahne dir deinen eigenen Pfad!

2. Was du kennst, limitiert deine Vorstellungskraft

Je mehr Erfahrung du hast, je besser du dich auskennst, je besser du weißt, ‚wie der Hase läuft’, desto schwieriger wird es, sich von dieser Vorprägung wieder zu befreien und die Perspektive zu wechseln. Erfahrung ist extrem hilfreich – und gleichzeitig furchtbar einschränkend, denn irgendwann beginnst du zu glauben, „das macht man so“ – und das ist ein Ideenkiller erster Güte.

Darum: Wage dich heraus, betrete unbekanntes Terrain und lass dich ruhig einmal verunsichern. Dein Kreativzentrum wird dadurch durchlüftet und wiederbelebt.