„Kenn ich alles, kann ich alles, weiß ich alles, ist doch nichts Neues, habe ich doch alles schon x-mal gemacht, musst du mir nicht erzählen …“
Ich wette, du kennst diese Typen auch! Diese durch nichts zu beeindruckenden, über den Dingen schwebenden Weisen, die schon alles wissen, kennen und können.
Und vielleicht geht es dir dann wie mir und du hegst des Öfteren den leisen Verdacht, dass diese Kollegen nicht immer die hellsten Kerzen auf der Torte sind. Ganz unabhängig davon, wer welche Meinung vertritt oder wer am Ende recht behält.
Was bei diesen putzigen Zeitgenossen gnadenlos zuschlägt, ist der Effekt, den die beiden Psychologen David Dunning und Justin Kruger an der Cornell University entdeckt, erforscht und 1999 publiziert haben: Inkompetente Menschen neigen dazu, ihr eigenes Können gnadenlos zu überschätzen. Ja, sie haben nicht die entfernteste Ahnung, wie inkompetent sie in Wahrheit sind. Gleichzeitig sind sie nicht in der Lage, überdurchschnittliche Leistungen anderer zu erkennen. Darum geht ihre Selbstüberschätzung mit dem Unterschätzen aller anderen einher.
Der britische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell hat das mal so ausgedrückt: „Es ist ein Jammer, dass die Dummköpfe so selbstsicher sind und die Klugen so voller Zweifel.“
Jetzt hat David Dunning mit einer aktuellen Studie nochmal nachgelegt. Dabei bestätigte er nicht nur die ursprünglichen Ergebnisse, sondern stellte darüber hinaus fest: Je höher eine Person ihre eigene Kompetenz einschätzt, desto schlimmer wirkt der Dunning-Kruger-Effekt. Das heißt: Je größer die Stücke sind, die diese Personen auf sich halten, desto eher neigten sie in den Experimenten dazu, gröbste intellektuelle Schnitzer zu begehen und kapitalen Unsinn zu schwafeln.
Also:
Je mehr jemand den eigenen Expertenstatus betont, desto mehr neigt er dazu, sich vollkommen lächerlich zu machen.
Diese wissenschaftliche Erkenntnis deckt sich wunderbar mit meinen Beobachtungen. Und sie hilft beträchtlich im Umgang mit „Experten“. Wenn dir das nächste Mal so ein Allesbesserwisser auf den Senkel geht, mache es wie ich:
TIPP 1: Murmel leise vor dich hin: „Dunning-Kruger-Effekt“ – Und schon schrumpelt der „Experte“ vor deinen Augen zusammen wie ein misslungenes Soufflé. Das ist durchaus erheiternd.
Viel wichtiger ist aber: Was kannst du tun, damit dieser Effekt nicht in deiner Organisation zuschlägt?
TIPP 2: Gründet eine Kanarienvogel-Gruppe! – Im 19. Jahrhundert nahm man Kanarienvögel mit in den Bergbau, weil die auf gefährliche Gase besonders sensibel reagieren. Solch ein Warnsystem richtete Laszlo Bock, der ehemalige Personalchef von Google, ein, allerdings nicht gegen Gase, sondern gegen Selbstüberschätzung. Seine Kanarienvogel-Gruppe bestand aus Mitarbeitern aus ganz unterschiedlichen Unternehmensebenen und Unternehmensbereichen, die den Ruf haben, nachhaltige Entwicklungen zu erkennen und die auch keine Probleme damit haben, diese deutlich und auch gegen vorherrschende Überzeugungen zu äußern. Vor jeder weitreichenden Entscheidung holt man sich bei Google seitdem das kritische Feedback dieser Kanarienvögel ein. Sie sorgen dafür, dass abweichende Meinungen nicht von einer starken Unternehmenskultur oder den selbsternannten Experten abgebügelt werden.
Und was kannst du tun, damit du nicht selbst Opfer des Dunning-Kruger-Effekts wirst?
TIPP 3: Halte es mit Karl Weick! Der emeritierte Professor für Organisationspsychologie an der University of Michigan sagte weise:
„Argumentiere, als hättest du recht,
und höre zu, als würdest du falsch liegen.“