Der Dodo gehört zu Mauritius wie der Eiffelturm zu Paris. Zwischen dem ikonischen Turm von 1889 und dem ikonischen Taubenvogel gibt es allerdings einen gravierenden Unterschied: Der Turm existiert noch, der Vogel ist längst ausgestorben. Und zwar schon seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Nur ein paar Jahrzehnte nach seiner Entdeckung wurde er ausgerottet.
Bei meinem Besuch auf Mauritius ist er mir wirklich allerorten begegnet – als Wappentier, als Schlüsselanhänger, auf Produktetiketten. Und er hat eine Botschaft für uns alle. Sogar eine sehr wichtige!
Der Dodo ist ein hervorragendes Beispiel für die Cleverness und Effizienz der Evolution.
Im Laufe der Jahrhunderte befreite die Evolution den Vogel von viel unnötigem Ballast. Er hatte auf Mauritius keine Feinde, also ließ sie die Flugmuskulatur und damit die energieaufwändige Flugfähigkeit über Generationen hinweg verkümmern. Weil er nicht mehr auf sein Fluggewicht achten musste und Nahrung im Überfluss vorhanden war, konnte er dafür kräftig an Größe und Gewicht zulegen. Aus der flinken Taube wurde ein großer, plumper Laufvogel. Und warum sollte er zeitaufwendig Nester in Bäumen bauen, wenn er die Eier doch genauso gut auf dem Boden ablegen konnte? Spart Zeit und Kraft.
In Summe also sehr clever: Er „verschwendete“ weniger Ressourcen für etwas, was er nicht brauchte.
Doch der Dodo ist auch ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die Vorzüge von gestern die Fehler von morgen sind.
Denn Ende des 16. Jahrhunderts wurde ein niederländisches Schiff durch einen Sturm abgetrieben und landete an der Küste der Insel, die heute Mauritius heißt. Und diese Veränderung war der Anfang vom schnellen Ende der Dodos.
Warum? Den Niederländern gefiel es dort und sie nahmen die Insel für die niederländische Krone in Besitz. Ab 1638 kamen Siedler auf die Insel und brachten auf ihren Schiffen Ratten, Schweine und Affen mit. Der Dodo hatte mangels bisherigem Bedarf keinerlei Flucht – oder Verteidigungsverhalten, er ließ sich einfach von den Menschen fangen, töten und grillen. Seine Gelege wurden von den eingeschleppten Tieren aufgefressen. Auf der kleinen Insel gab es keinerlei Rückzugsgebiete. Die Population war in wenigen Jahren restlos dahingerafft.
Brauche ich nicht. Keine Zeit für so einen Quatsch.
Der Dodo war nicht etwa unfähig, sich auf die Veränderung seiner Lebenswelt anzupassen – zuvor hatte er ja genau das getan – nein, vielmehr passierte für ihn einfach alles zu schnell. Er hätte zu lange gebraucht, um sich neue Fähigkeiten anzueignen, die sein Überleben gesichert hätten.
Übertragen auf das Heute, steckt darin eine sehr wichtige Botschaft: Genau die mühsam erarbeiteten Best Practices, die in der Vergangenheit unseren Erfolg gebracht haben, tragen die Saat des Misserfolgs in sich.
So ist zu verstehen, was der französische Literaturnobelpreisträger Anatol France sagte: «Die Vorzüge von gestern sind oft die Fehler von morgen.»
Also: Wir sollten nicht radikal alles zurückschrauben, was wir beruflich gerade nicht brauchen. Nicht die Fähigkeiten und Interessen von unserer Agenda streichen, deren Return on investment (ROI) uns derzeit vielleicht einfach nicht so hoch erscheint. Mir begegnen immer wieder Menschen, die genau das machen:
- Sie interessieren sich nicht mal ansatzweise für das, was über den engen Horizont ihres Fachgebiets hinausgeht.
- Sie betreiben kein Networking.
- Sie sind für die Chefs ihrer Chefs nicht sichtbar.
- Sie interessieren sich nicht für andere Arbeitgeber in ihrer Branche.
- Sie wissen nichts darüber, was in anderen Branchen passiert.
- Sie halten die Aussage, dass breites Lesen den geistigen Horizont erweitert, für krass überbewertet.
- Sie sagen: „Das ist was für Typen mit zu viel Tagesfreizeit. Mein Schreibtisch ist voll und im Übrigen habe ich dafür keine Zeit.“
Die Geschichte kriecht nicht, sie springt
„Das Festmahl der Disruption findet auf jeden Fall statt. Offen ist nur, ob Sie mit am Tisch sitzen oder den Braten abgeben“ schreibt der Journalist und Bestsellerautor Christoph Keese und bringt damit die Herausforderung wunderbar auf den Punkt. Wenn sich das Umfeld ändert, dann geschieht das oftmals extrem schnell. So wie der Dodo werden auch die etablierten Wirtschaftsunternehmen und die Menschen darin von bisher unbekannten Akteuren angegriffen. Willkommen im Zeitalter der Disruption!
Schnelle Veränderungen durch Digitalisierung, Automatisierung, Globalisierung, Robotik, Künstliche Intelligenz haben zur Folge, dass neben dem Neuen schon das Noch-Neuere lauert, neben dem Guten das Bessere und Noch-Bessere. Die Frage ist nur, wann es uns erwischt.
Wachsam bleiben
Also? – Ich rate keinesfalls, hektisch oder gar ängstlich zu werden. Ich empfehle lediglich: Bleibt offen und neugierig. Lehn dich nicht zurück. Bekämpfe Selbstzufriedenheit. Bleibe wachsam. Begrüße Veränderung. Höre niemals auf zu lernen.
Denn wir wissen nie, wer die Seefahrer sind, die auf unserer Insel landen.
Wir wissen nie, woher sie kommen.
Wir wissen nur: Sie sind unterwegs!