Wenn wir ein Buch schreiben, dann legen wir die Latte für uns selbst so hoch wie möglich. Unser Anspruch an uns selbst ist super-super-super-groß, wie es Pep Guardiola vielleicht formulieren würde. Und das finden wir richtig, denn warum sollten wir ein weiteres Buch schreiben, wenn es nicht in irgendeiner Weise besser ist als das Buch davor?
Der erste Wurf ist niemals richtig gut
Bei unseren ersten Büchern hat uns dieser Anspruch geradezu in Verzweiflung gestürzt. Wir wollten, dass die erste Version eines jeden Kapitels schon ziemlich perfekt ist. Am liebsten nach dem Motto: Wir geben uns nur einen Versuch – und so geht das Werk dann auch in den Druck. Was uns nach und nach klar geworden ist: Ein erster Wurf ist niemals richtig gut. Und schon gar nicht perfekt.
Doch dann haben wir an uns gearbeitet. Genauer: an unserer Haltung gegenüber dem Neuen. Wir eigneten uns an, wofür es im Englischen einen schönen Ausdruck gibt: BETA MINDSET.
Was steckt hinter dem Beta Mindset?
Dahinter stehen drei kluge Ideen:
1. Wenn du nach kreativer Arbeit etwas Neues präsentierst – eine neue Speisekarte, einen Plan für einen Garten, einen Skizze für einen Flyer, ein Konzept für eine Kampagne, den Entwurf für den neuen Produktkatalog oder was auch immer – dann mach dir bewusst, dass dies kein Produkt und kein Ergebnis ist, sondern nur ein erster Schritt dorthin.
Du wirst noch viele Gespräche führen, dabei wirst du zusätzliche Einsichten gewinnen, manche deiner Prämissen werden bestätigt werden, manche Annahmen wirst du mit neuen Augen sehen, die eine oder andere neue Idee wird auf den Tisch kommen. Und das alles hat Einfluss auf das Neue. Du wirst nachjustieren, verbessern und weiterentwickeln. Und hinterher wird es so gut sein, wie es dir im ersten Wurf auch mit viel Zeit und Mühe niemals gelungen wäre.
2. Auf diese Weise wirst du deinen Stress erheblich reduzieren. Denn wenn es schon von Anfang an perfekt sein soll, bist du automatisch in der Verteidigungszone: Du musst beweisen, wie gut dein „fast schon finaler Entwurf“ ist. Das ist unglaublich anstrengend.
Wenn du stattdessen bereits die unperfekte Beta-Version vorzeigst, dann bist du in der Offensive: Du kannst neugierig und offen testen und herausfinden, wo noch Luft nach oben ist. Du wirst die Kritik als hilfreich und konstruktiv begrüßen und dich nicht dagegen wehren. Und die aufgewendete Energie fließt in die Verbesserungen, nicht in den Rechtfertigungskampf.
3. Allerdings – und das ist wichtig! – rechtfertigt der Beta-Gedanke auf keinen Fall schlampige Arbeit. Beta ist nicht die Ausrede für eine schludrige Abkürzung oder dass du in letzter Minute irgendwas zusammenzimmerst. Im Gegenteil: Natürlich sollte deine Leidenschaft, deine Sorgfalt, deine ganze Aufmerksamkeit in das Projekt fließen. Du hast dabei lediglich das Verständnis, dass du eben noch nicht alle Antworten hast. Du kannst sehr wohl dein Bestes geben, wohl wissend, dass du damit noch nicht im Ziel bist.
Beta-Mindset: Starte doch mit Bohnensäckchen!
Um mit John Cassidy zu sprechen, dem Autor des genialen Jonglier-Lehrbuchs „Juggling for the Complete Klutz“: Wenn du lernen willst, mit Bällen zu jonglieren: Beginne doch erstmal mit Bohnensäckchen! – Warum? Weil Bohnensäckchen nicht wegrollen. Sie bleiben direkt vor dir liegen und halten so den Preis für jeden Fehlversuch niedrig. Die Motivation bleibt hoch, du übst mehr, du wirst schneller besser.
Genauso haben wir es auch gemacht – beim Bücherschreiben: Bei unseren letzten Büchern haben wir zuerst mit Bohnensäckchen jongliert. Das heißt, wir haben den ersten, nicht perfekten Entwurf der Kapitel als Beta-Version akzeptiert. Und dann haben wir die Texte durch viele Änderungsschleifen und Prozessschritte gejagt … bis sie irgendwann ihren endgültigen, abgabereifen Zustand erreicht hatten.
Seit wir das Beta Mindset verstanden haben, hat sich der Prozess des Konzipierens und Schreibens dramatisch beschleunigt!