60er-Jahre-Charme, Behörden-Muff und die Gala im Lese-Zirkel – Das fällt uns intuitiv ein, wenn wir an Wartezimmer in der Arztpraxis denken. Aber das muss ja nicht sein. Unser Hausarzt hat vor einigen Monaten viel Geld in die Hand genommen und sein Wartezimmer neu gestaltet. Vorbildlich! Schöne weiße Stühle, Glastischchen für die Zeitschriften, indirektes Licht, große Kunstdrucke an den Wänden. Die Atmosphäre ist nun freundlich, stilvoll, ein Wartezimmer deluxe – aber immer noch ein Wartezimmer…
Erst einmal den Dankapparat aktivieren
Ihr könnt alles optimieren. Ihr könnt statt „Bunte“ und „Frau im Spiegel“ die „brandeins“ auf das Tischchen legen, ihr könnt statt billiger Plastikstühle teure Plastikstühle nehmen und statt der Neonröhre warmes Licht. Und so weiter. Aber ihr könntet die Sache mit dem Wartezimmer auch ganz neu denken, so wie die Berliner Zahnarzt-Gemeinschaftspraxis Leipziger 14 getan hat.
Bevor sie auch nur einen Euro ausgegeben haben, haben die Zahnärzte erstmal ihren Denkapparat aktiviert und sich gefragt: Worum geht es eigentlich? Was wollen wir überhaupt? Geht es um einen Raum, in dem Patienten während der Wartezeit aufbewahrt werden müssen und wir dafür sorgen, dass diese verlorene Zeit nicht allzu unangenehm für sie wird? Oder können wir das auch rumdrehen und einen Raum konzipieren, in dem sich Menschen freiwillig gerne aufhalten, einen Ort an dem sie geistige Nahrung finden, die Zeit als gewonnene Zeit empfinden und sich dabei gerne zwischendurch mal unterbrechen lassen, um sich die Zähne richten zu lassen?
Die Zahnärzte warfen die allgemein gültige Wartezimmer-Vorstellung, die wir in den Köpfen haben, einfach aus den Köpfen und entwarfen dafür eine Art Hotellobby gekreuzt mit einer Bücherei. Ein paar hundert Bücher warten in schönen Regalen auf ihre Leser. Gemütliche Sofas geben ein Home-away-from-home-Gefühl. Wer möchte, kann sein angelesenes Buch kaufen oder auch nach der Behandlung sich einfach wieder hinsetzen und weiterlesen. Wenn das passiert, dann freuen sich die Zahnärzte jedes Mal wie die Schneekönige.
Wenn ihr immer nur das seht, was alle sehen, werdet ihr auch nur das tun, was alle anderen tun. Dann ist es unmöglich, sich jemals grundlegend von Ihren Wettbewerbern abzuheben.
Jenseits der 08/15-Wahrnehmung
Mit einer 08/15-Wahrnehmung wird euer Tun bei anderen immer nur einen Déjà-vu-Effekt auslösen. Darum braucht ihr das genaue Gegenteil eines Déjà-vus: einen Vujà-dé. Bei einem Déjà-vu seht ihr etwas zum ersten Mal und es kommt euch so vor, als hättet ihr es schon tausendmal gesehen. Bei einem Vujà-dé seht ihr etwas zum tausendsten Mal und plötzlich habt ihr die Erleuchtung, dass es auch etwas ganz anderes sein könnte. Ihr seht die Sache wie zum ersten Mal.
Vujà-dé bedeutet, das eigene Wartezimmer, die eigene Branche, das eigene Unternehmen, den eigenen Job mit unvoreingenommenem, frischem Blick zu betrachten.
Nur wenn wir dasselbe wie alle anderen betrachten, aber etwas ganz anderes dabei sehen, haben wir die Chance, die tausend Möglichkeiten, die in der Zukunft schlummern, zu entdecken.
Denn was wir wahrnehmen, bestimmt, was wir denken. Und was wir denken, bestimmt, was wir tun.
Sobald wir also unsere Wahrnehmung verändern, verändern wir automatisch unsere Umgebung.
Wahrnehmung bestimmt Veränderung!