Zeigt doch was ihr könnt

Zeig doch, was du kannst!

Nein, ich bin kein Fernsehkochshow-Fan. Ich besitze nicht mal einen Fernseher.

Aber immer mal wieder, wenn ich unterwegs bin und im Hotel übernachte, stolpere ich beim Zappen über irgendeine Kochshow. So wie neulich. Und anstatt mich über das vor meinen Augen zelebrierte Forellenfilet-im-Crêpemantel-an-Pastinaken-Kartoffeln zu freuen, dachte ich darüber nach, warum diese Art des Entertainments eigentlich so gut funktioniert. Und was mich daran sogar begeistern könnte.

Sie verraten alles!

Und tatsächlich, da gibt es etwas: Mich begeistert die Bereitschaft des Kochs, sein Rezept und sein Können offenzulegen, ja, es sogar genau zu zeigen, mit allen Tricks, und es auch noch per Fernsehen mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Verblüfft stellte ich fest, dass das in der Welt der Köche vollkommen normal ist.

Doch jetzt geh mal mit dieser Idee zu einem Unternehmen und schlage dem Chef vor, er solle ein Rezeptbuch herausgeben, in dem er seine besten Rekrutierungs-Strategien, sein ausgetüfteltes Vorgehen bei der Mitarbeiterführung oder seine Tricks und Taktiken zur Kundengewinnung offenlegt. Und das ganze dann am besten noch per Youtube-Videoserie oder vielleicht auch noch per TV-Sendung.

Die meisten würden dir den Vogel zeigen! Sie würden argumentieren: Das ist mein geistiges Eigentum! Das ist mein Know-how! Das ist mein Wettbewerbsvorteil! Da wäre ich doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich das offenlegen würde!

Was, wenn es jemand nachmacht?

Schon klar. Aber gehen wir doch mal ein bisschen tiefer rein:

Warum machen die Köche genau das? Sie ermöglichen es ja, dass jeder die Rezepte 1:1 nachkochen kann. Warum schadet ihnen das nicht? – It’s the publicity, stupid! Es hilft einfach ihren Namen bekannt zu machen. Je mehr sie von sich preisgeben, desto zahlreicher und begeisterter sind die Fans. Das verkauft die Kochbücher besser und lässt noch mehr Gäste in ihre Restaurants strömen und sichert vielleicht noch einen lukrativen Werbedeal. Soweit ist das nachzuvollziehen.

Aber, so könnte man einwenden, wenn sie all ihre Rezepte detailliert offenlegen, dann könnte doch Irmgard Maier nach 20 Fernsehsendungen und intensiver Lektüre der Kochbücher das Gleiche machen. In der Nähe seiner Restaurants einen Wettbewerbsladen eröffnen und so zu einer ernsthaften Konkurrenz werden. Warum sind die Köche diesbezüglich unbesorgt?

Weil die Kopie niemals so wertvoll ist wie das Original!

Und das funktioniert tatsächlich nicht nur bei Köchen, sondern auch in anderen Branchen:

So macht es die Top-Hotelkette Ritz-Carlton: Im Ritz-Carlton-Leadership-Center teilen sie ihre Rezepte für großartigen Service und Unternehmenskultur.

Und in Deutschland gibt zum Beispiel Klaus Kobjoll Einblick in seinen Schindlerhof: Sein mehrfach ausgezeichnetes Vier-Sterne-Tagungshotel bei Nürnberg. Er teilt seine Rezepte über Service und Unternehmensmanagement in eigenen Seminaren, Workshops und Vorträgen und er gibt auch „Rezeptbücher“ heraus. Wer will, kann das alles im eigenen Hotel nachbauen. Vermutlich mit guten Erfolgsaussichten.

Traut ihr euch das?

Schwächen sich Ritz-Carlton oder der Schindlerhof damit? Ganz im Gegenteil! Die Marken werden stärker, bekannter und gewinnen an Anziehungskraft. Und noch etwas: Diese Unternehmen werden so noch attraktiver und glaubwürdiger als Arbeitgeber für die besten Talente.

Habt ihr auch Rezepte, die ihr teilen könntet, um noch stärker zu werden?
Wo und wie könntet ihr sie veröffentlichen?

Traut ihr euch?