Bäääng!! Wenn dir das Leben wieder mal ein dickes Problem oder eine stressige Situation vor die Füße knallt oder sich hartnäckig dem widersetzt, das du dir erhofft hast, was kannst du tun? Drei Möglichkeiten:
- Möglichkeit 1: Du löst das Problem.
- Möglichkeit 2: Du änderst deine Sichtweise.
- Möglichkeit 3: Du jammerst über die Ungerechtigkeit des Lebens und vergräbst dich in deinem Unglück.
Moment! Es gibt noch eine vierte Möglichkeit. Diese Form des Umgangs mit Herausforderungen praktiziere ich seit einiger Zeit sehr bewusst und intensiv. Es ist die radikale Akzeptanz.
Radikale Akzeptanz
Im Kern geht es darum, das Leben zu akzeptieren, wie es ist und sich nicht gegen das zu wehren, was du nicht ändern kannst oder willst. Radikale Akzeptanz bedeutet, Ja zum Leben zu sagen, so wie es ist. Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht um ein wurstiges „Es ist, wie es ist“. Radikale Akzeptanz ist etwas anderes.
Diese Haltung hat in mir seit einiger Zeit tiefe Wurzeln geschlagen. Jedes Mal, wenn das Leben einfach nicht so will, wie ich mir das vorgestellt habe, ist radikale Akzeptanz mein spiritueller Kompass. Sie hat die Kraft, mich in einen ruhigeren, klareren Geisteszustand zu führen.
So wie neulich, als ich mit wochenlangem Vorlauf meinen Termin für eine Wohnsitz-Ummeldung gebucht hatte und mir dann mitgeteilt wurde, dass ich meine Ummeldung erst am Tag des Einzugs – und nicht wie von mir terminiert – am Tag davor machen könne. Das heißt im Klartext: Wieder hinten anstellen, wieder einen Termin online buchen, wieder wochenlang warten und wieder zum Amt gehen, weil solche Dinge – auch im Digitalzeitalter – in Deutschland eben nicht online gemacht werden können.
Was tun?
- Mich aufregen über diesen Wahnsinn?
- Mit dem Kopf gegen die Wand rennen?
- Mich an der Eingangstür anketten und erst den Platz räumen, wenn mein Anliegen erledigt ist?
Oder radikale Akzeptanz praktizieren?
In solchen Situationen ist es naheliegend zu sagen: „Das ist aber nicht fair“, „Das kann nicht wahr sein“ und „Wieso passiert das immer mir?“. Aber die Weigerung, eine Situation, die uns das Leben vor die Füße wirft, zu akzeptieren, hält die Situation nicht davon ab, real zu sein.
Damit war nicht zu rechnen
Mit der radikalen Akzeptanz der Situation passierte etwas Erstaunliches: Die Mitarbeiterin entschuldigte sich bei mir. Wiederholt. Für die Inflexibilität der deutschen Verwaltung. Dafür, dass sie total verstehen könne, dass mich das ärgern würde. Und das, obwohl sie die Vorschriften nicht gemacht hat.
Und dann passierte noch etwas Erstaunliches: Sie drehte sich zu ihrem Bildschirm und klickte auf das Terminprogramm.
„Ich habe Zugriff auf Termine, die kurzfristig freigeworden sind. Sie könnten übermorgen um 7.30h vorbeikommen, da ist was freigeworden. Würde das für Sie passen?“
Ja, das passte!
Damit waren die erstaunlichen Momente dieses Tages noch lange nicht abgeschlossen … das Leben hatte für mich noch einiges in petto. Mit neuem Termin ausgestattet, wollte ich mich auf mein Rad schwingen, um den Heimweg anzutreten … aber … Plattfuß im Vorderrad. Also, was tun? Na klar, das Fahrrad bis zum nächsten Fahrradladen schieben.
Dort angekommen, durfte ich feststellen, dass es möglich ist, den einzigen Servicemitarbeiter eine geschlagene halbe Stunde mit der Justierung eines neu gekauften Fahrradsattels auf Trab zu halten. Gerade als mein Herz zu jubeln begann, weil die Sattel-Kundin die 14. Nachjustierung mit einem Kopfnicken als gut genug akzeptierte, kam der Satz, der all meine Hoffnungen auf ein rasches Ende wie ein Soufflé in sich zusammenfallen ließ: „Ich würde gern noch die Bremsen und die Gangschaltung überprüfen lassen.“
Der Servicemitarbeiter, der sich in bewundernswerter Weise nicht aus der Ruhe bringen ließ, entgegnete, dass sie das Rad gern dalassen könne, er momentan aber so viele Aufträge hätte, dass er diese Sachen erst in der kommenden Woche erledigen könne.
… und dann war ich endlich dran.
Plattfuß noch am selben Tag reparieren? Nun ja, angesichts dessen, was ich im Vorgespräch mitgehört hatte, ebenso wahrscheinlich wie Schnee in der Sahara.
Vielleicht ahnst du es schon … wiederum passierte etwas Erstaunliches: Der Servicemitarbeiter entschuldigte sich. Dafür, dass das mit der vorherigen Kundin so ewig gedauert hatte. Und er bedankte sich für meine Geduld.
Mit Blick auf den platten Vorderreifen meines Fahrrads kam dann eine Aussage, die mir geradezu surreal vorkam: „Oh je, Sie wissen schon, dass wir wahnsinnig viel zu tun haben. Aber Sie brauchen das bestimmt schnell wieder. Wer will schon in diesen Zeiten gern mit den Öffis fahren? Ich schaue mal, was ich machen kann.“ …. und tatsächlich, nach zwei Stunden kam der Anruf, dass ich mein repariertes Fahrrad abholen könne.
Radikale Akzeptanz braucht Training
Dass der Gang zum Amt vergeblich war, dass es an dem Tag wie aus Gießkannen regnete, dass mein Fahrrad einen Platten hatte, dass es Kunden gibt, die extrem ausdauernd darin sind, ihr Anliegen wie Kaugummi auszudehnen und dazu noch vor dir in der Schlange stehen, dass der Händler mit Serviceaufträgen komplett zu ist … all das passiert.
- Du kannst dich darüber aufregen.
- Du kannst mit dem Leben hadern.
- Du kannst mit dem Finger auf die Umstände zeigen, auf die Nervbacke, die vor dir in der Schlange steht oder eine weltweite Verschwörung namens ‚die Anderen‘.
Der bessere Weg in all diesen Fällen: Akzeptanz!
Die Anerkenntnis: Was ist, ist!
Es gilt, die normative Kraft des Faktischen anzuerkennen. Akzeptanz ist etwas anderes, als sich die Welt schönzureden.
Es gibt viele Situationen in unserem Leben, die extrem schmerzhaft sein können und dazu nicht in unserer Kontrolle liegen. Wir können diesen Schmerz nicht vermeiden. Was wir aber beeinflussen können, ist, wie sehr wir unter der Erfahrung leiden. Das Leiden ist der Teil, auf den wir Einfluss haben – nicht der Schmerz.
Das Leben gibt uns viele Gelegenheiten, radikale Akzeptanz zu üben. Wenn du ein Problem hast, das du lösen kannst, dann ist das die erste Option. Wenn du es nicht lösen kannst, aber deine Wahrnehmung des Problems ändern kannst, dann solltest du das tun. Wenn du es nicht lösen oder deine Wahrnehmung des Problems nicht ändern kannst, dann übe dich in radikaler Akzeptanz.
Eckhart Tolle bringt es wunderbar auf den Punkt: