Am 22. Dezember ist Wintersonnenwende …, das heißt, auf der Nordhalbkugel erreicht die Sonne die tiefste Mittagshöhe des gesamten Jahres. Den Leuten im norwegischen Tromsø ist das aber ziemlich egal, denn dort gibt es bereits seit dem 26. November sowieso keinen Sonnenaufgang mehr.
„Warum sollten wir depressiv sein?“
Zweieinhalb Monate ohne Sonne, ein Leben im Dunkeln, draußen ist es kalt … ist das nicht sehr, sehr schlimm? Der Körper braucht doch das Sonnenlicht, zum Beispiel um Vitamin D zu produzieren. Zu den Symptomen des Mangels gehören Infektanfälligkeit, Müdigkeit, verlangsamtes Denken und Depressionen.
Wenn der Sonnenmangel uns Mitteleuropäern schon zu schaffen macht, wie miserabel muss es dann erst den Menschen in Tromsø gehen! Das dachten sich auch Forscher, die eine Langzeitstudie zu diesem Thema in der achtgrößten Stadt Norwegens durchführten.
Das erste Mal waren sie verblüfft, als sie herausfanden, dass die Einwohner überhaupt nicht häufiger depressiv sind als die Menschen in anderen Gegenden. Es gab auch keine Zunahme der Fallzahlen in den Wintermonaten gegenüber den Sommermonaten, so wie das beispielsweise in Deutschland ist.
Das zweite Mal waren die Forscher verblüfft, als sie die Leute fragten, warum sie im Winter nicht depressiv seien und als Antwort häufig hörten: „Warum sollten wir denn depressiv sein?“
Der Norweger-Trick
Sie untersuchten dann näher, wie die Norweger mit dem extrem kalten und dunklen Winter umgehen und was sie herausfanden, kann uns allen helfen: Denn dahinter steckt eine kluge Denkmethode und eine ganz eigene Lebensphilosophie. Wir nennen sie den Norweger-Trick:
Die Leute aus Tromsø sehen den Winter nicht als etwas, das man aushalten oder überstehen muss oder dem man gar widerstehen muss. Sie sehen sich nicht als Objekt des Winters, also als etwas, mit dem der Winter etwas macht. Stattdessen sehen Sie sich als Subjekt, also als jemand, der etwas aktiv tut. Als Regisseur des eigenen Lebens, der seine Freiheit annimmt und selbst entscheidet, wie die eigene Interpretation des Winters ist.
Zum Beispiel so: Winter, das ist die schöne Zeit, in der ich Skifahren kann. Wenn es draußen kalt ist, dann kann ich ins warme Haus kommen, Kerzen anzünden, am Kaminfeuer sitzen und warme Getränke trinken. Wie schön! Wenn die Sonne nicht aufgeht, sehen viele Stunden des Tages wie Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang aus. Mit besonderen Farben im Himmel, die sich im Schnee spiegeln. Traumhaft!
Was zählt ist unsere Interpretation
Die Bedeutung, die wir einem Ereignis beimessen, ist nichts anderes als unsere Interpretation des Ereignisses. Man könnte auch sagen: Es ist der Sinn, den wir aus den gegebenen Umständen herauslesen.
Es geht nicht darum, alles durch die rosafarbene Brille zu betrachten, sondern darum, klar zu sehen: Mein Job oder meine Lebenssituation ist nicht gut oder schlecht – er/sie existiert einfach. Doch anstatt sie bloß auszuhalten, kann ich die Situation dazu benutzen, Spuren zu hinterlassen, etwas zu bewegen und einen Unterschied zu machen. Mein Job, mein Leben wird zu dem, was ich daraus mache.
Oder um es mit William Shakespeare zu sagen: „… denn an sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu.“