Tiger haben keine Flecken auf dem Fell, Tiger haben Streifen – das weiß jedes Kind. Auch die dreieinhalb Jahre alte Lily Robinson. Der britischen Supermarktkette Sainsbury’s musste da wohl ein Fehler unterlaufen sein: Denn die Kruste des Tiger-Brotes sieht gar nicht so aus wie ein Tiger-, sondern wie ein Giraffenfell.
Also schreibt sie mit ihren Eltern einen Brief an den Sainsbury’s Kundenservice. „Das Tiger-Brot müsste Giraffenbrot heißen!“ Und bekommt prompt eine Antwort. Sie habe vollkommen recht: „Wir nannten es Tiger-Brot, weil der erste Bäcker, der es vor vielen, vielen Jahren gemacht hat, der Überzeugung war, dass es nach Streifen im Tigerfell aussah. Vielleicht war der ein bisschen blöd.“
Lilys Mutter gefiel die Antwort, sie veröffentlichte den Brief auf ihrem Blog. In perfekter Gute-Geschichten-Verbreiten-Sich-Schnell-Manier bekam sie prompt Unterstützung aus dem Netz und eröffnete eine Facebook-Seite mit dem Titel: „Campaign to change Tiger Bread to Giraffe Bread“ – mit riesigem Erfolg: Einzelne Beiträge wurden 150.000 Mal mit „Gefällt mir“ markiert.
Sainsbury’s veränderte den Namen des Brotes in Giraffen-Brot. Außerdem erklärten Schilder am Regal auf eine sympathische Art Lilys Vorschlag. So weiß jeder, dass das Brot noch dasselbe ist, sich nur der Name geändert hat – und zwar weil Lily eine tolle Idee hatte.
Wir finden diese Reaktion großartig. Sainsbury’s hat kapiert, was Marketingprofis vor 15 Jahren meinten, als sie das „Cluetrain Manifest“ veröffentlichten: Märkte sind Gespräche. Das war damals eine mehr als deutliche Aufforderung zum Umdenken für die Konzerne mit ihrem üblichen Wir-Sind-Toll-Kauft-Unsere-Produkte-Marketing. „Macht die Augen auf! Eure Zielgruppe kann sich ganz prächtig miteinander unterhalten. Sie ist nicht mehr angewiesen auf eure Marketingpredigten!“
Die meisten Unternehmen haben diesen zukunftsweisenden Impuls damals als abgehobene Vision belächelt, die sich ein paar durchgedrehte Dotcom-Spinner ausgedacht hatten. Ihr Kundenservice hätte Lily wahrscheinlich eine Stofftiergiraffe geschickt und dann erwartet, dass das Kind damit ruhiggestellt ist.
Aber das alte Prinzip „Unternehmen predigen, die Kunden hören zu“ hat tatsächlich ausgedient.
Zugegeben, die Umsetzung eines echten Dialogs mit dem Kunden ist alles andere als einfach, denn viele Unternehmen müssen erst verstehen, dass sie sich schon längst in einem Dialog befinden. Und dass es sich dabei immer um eine Zwei-Wege-Kommunikation handelt – Was vor allem bedeutet, dass Kunden antworten! Dass sie Aktionen starten. Dass sie ihre Meinung öffentlich verbreiten. Wer alleine das verstanden hat, ist schon näher dran am Kunden als der Großteil seines Wettbewerbs.
Der Clou an Sainsbury’s Giraffenbrot ist aber der entscheidende kleine Schritt darüber hinaus: Das Unternehmen hat nicht nur mit seiner kleinen Kundin auf Augenhöhe kommuniziert, sondern es hat sie in ihr Business gelassen. Ihre Idee wurde kurzerhand umgesetzt, Marketingkonzept hin oder her.
Das ist intelligent.
Und macht Menschen scharenweise zu treuen Kunden.