Diese Geschichte hat mich elektrisiert!
In der Diskussionsrunde nach meinem Vortrag im Rahmen eines Führungskräfte-Symposiums meldete sich eine Frau zu Wort, die in der Stabsabteilung eines großen Konzerns arbeitet. Zu ihren Aufgaben gehört es, wöchentliche Reports für den Vorstand zu erstellen. In ihrem Team waren sich alle einig, dass die Erstellung der wöchentlichen Berichte inklusive der aufwendigen Grafiken extrem viel Zeit kostete, diese „Berichtsorgien“ aber möglicherweise nicht so viel zur Wertschöpfung beitrugen.
Statt mit den Schultern zu zucken und sich darauf zu berufen, dass man es ja leider tun müsse, machte das Team etwas anderes. Es startete eigenmächtig ein Experiment. Das Vorgehen war von maximaler Geradlinigkeit: Die Erstellung der Berichte wurde ausgesetzt. Und dann?
Dann wartete das Team einfach ab, ob die Empfänger in der Top-Etage sich beschweren würden. Punkt.
Und dann?
Hagelte es wütende Beschwerden?
Brach das Chaos in der Vorstandsetage aus?
Wurde die Dame, die diese Geschichte erzählte, fristlos entlassen?
Nichts davon geschah.
Der große Beschwerdesturm blieb aus. Nach anderthalb Wochen wurden gerade mal vier Berichte angefordert – der Rest wurde offensichtlich nicht so dringend vermisst.
Ich finde: Ein sehr cleveres Vorgehen!
Und eines, das sehr viel mehr Nachahmer finden sollte.
Die verborgene Kraft der Entscheidungsfreiheit
Fakt ist: Wir haben die Wahl – viel öfter, als wir es uns selbst zugestehen.
Anstatt die Augen zu rollen und zu sagen „Wir haben keine Wahl, wir müssen die Berichte ja machen“, stellte das Team die Frage: „Ist das wirklich wahr?“
Häufig gibt es an dieser Stelle Widerspruch: Ich könne das ja gut behaupten, denn ich sei ja in der privilegierten Situation, dass ich als Selbstständige entscheiden könne, was ich tue oder lasse. Aber als Angestellte sei das eine ganz andere Sache.
Ist das so?
Geht die Person, die so vehement auf ihre Machtlosigkeit pocht, nicht freiwillig zur Arbeit? Oder wird sie oder er jeden Morgen von einer finsteren Macht dazu gezwungen? Hat sich der selbsternannte Machtlose nicht irgendwann mal freiwillig für den Job beworben, Bewerbungsgespräche geführt und einen Arbeitsvertrag unterschrieben?
Tatsache ist: Wer sich umentscheiden will, kann das tun. Oder ein Experiment wagen und eine Aufgabe neu interpretieren, so wie es das Team in der Stabsabteilung getan hat. Oder kündigen, wenn man total unzufrieden ist und keine Aussicht auf Besserung sieht.
Alles ist möglich! Man muss nur bereit sein, den Preis dafür zu zahlen.
Aha! Da liegt also der Hase im Pfeffer!
Spätestens dann, wenn ein Preis fällig wird, schrecken viele vor der Eigenmacht zurück. Das wird aber so nicht gesagt, stattdessen wird eine Phalanx von Gründen vorgeschoben: „Ich kann nicht, wegen der Hypothek auf dem Haus, wegen der Kinder, wegen der unsicheren weltpolitischen Lage und so weiter und so fort …“
Um bei dem Beispiel zu bleiben: Natürlich könnte es nach der Kündigung und einer möglichen längeren Suchphase für den neuen Job notwendig sein, den Gürtel enger zu schnallen! Das ist der Preis, der fällig ist. Umgekehrt sollte man aber nicht die Augen davor verschließen, dass auch das Verharren im alten Job einen hohen Preis hat – nämlich das Ausharren in einem Job, der nervt und unzufrieden macht.
Sich bewusst zu werden, dass immer ein Preis fällig ist, hat eine entlarvende Wirkung. Es ist kein Schicksal, das uns in die Gruppe der Selbstermächtiger oder die der Selbstentmächtiger zwingt.
Du entscheidest, zu welcher Gruppe du gehören möchtest!
Erwachsensein heißt, Verantwortung zu übernehmen
Eigen-Macht ist eine erwachsene Haltung. Erwachsensein heißt Verantwortung zu übernehmen und nicht darauf zu warten, dass andere mir den Weg bereiten und/oder die Hindernisse aus dem Weg schaffen. Erwachsensein heißt: Ich bin die Schöpferin meines Weges. Ich bin verantwortlich dafür, wie ich mit all den Ärgernissen und Herausforderungen umgehe, die mir begegnen.
Alles beginnt mit einer bewussten Entscheidung: gegen die Ohnmacht und für die Eigenmacht.
Und diese Entscheidung, muss jede und jeder für sich selbst treffen. Wenn ich auf meinen Weg zurückblicke, dann hat mir nichts mehr Kraft gegeben als die Entscheidung, mich auf meine Eigenmacht zu besinnen. Was mir dabei sehr geholfen hat, ist dieser Gedanke:
Ich muss gar nichts, ich will.
Wie dies wirkt, zeigen Formulierungen, die wir alle kennen: „Ich muss leider unseren Termin absagen.“ Oder: „Sorry, dass ich dich unterbreche, aber ich muss das jetzt mal sagen …“
Die Frage, die ich mir selbst angewöhnt habe zu stellen, wenn ich wieder einmal sage, ich müsste etwas: Wer oder was zwingt mich eigentlich?
In den meisten Fällen müssen wir nämlich gar nichts, sondern haben uns für etwas entschieden. Niemand zwingt dich beispielsweise, dein Gegenüber zu unterbrechen – und doch sagen viele: „Sorry, ich muss dich jetzt mal unterbrechen …“ Dabei wäre die nackte Wahrheit: Ich will dich unterbrechen, weil ich nicht deiner Meinung bin. Oder weil ich jetzt keinen Bock mehr habe, dir zuzuhören, und auch etwas sagen möchte.
Die Tatsache, dass wir so häufig im Alltag denken, etwas tun zu müssen, führt dazu, dass wir diese Haltung auch auf die großen Dinge des Lebens übertragen. Anstatt zu sagen „Nein, ich will das nicht“, denken wir dann: „Ich muss das tun…“
Eigenmacht anzuerkennen, heißt ein gedankenloses „Ich muss“ durch ein bewusstes „Ich will“ zu ersetzen. Es bedeutet, die volle Verantwortung für mein Tun und Unterlassen zu übernehmen. Das ist der Zeitpunkt, an dem es unbequem wird. Wer darauf pocht, dass er oder sie muss, hat ja quasi keine andere Chance. Jemand oder etwas bestimmt – ich bin es nicht, denn ich musste es ja so tun. Willkommen im Opferland!
Gerade im Zusammenhang mit New Work kann man das nicht oft genug betonen: New Work beginnt bei der inneren Haltung der Menschen: Bin ich bereit, mit der gestiegenen Eigenmacht, die sich aus dem Abbau starrer Strukturen und Hierarchien ergibt, verantwortlich umzugehen? Eigenmacht ist kein Synonym für „Ich kann machen, was ich will“. Eigenmacht braucht die Bereitschaft zur Eigenverantwortung.
Eigenmacht heißt, nicht nachzuplappern, was andere vorgeben, sondern selbst darüber nachzudenken, wie ein Problem angegangen oder eine Aufgabe möglichst klug im Sinne des Kunden erledigt werden könnte und dann alle Spielräume zu nutzen. Nicht darauf zu warten, dass mir irgendwer haargenau sagt, was und wie ich etwas tun soll, sondern selbst zu handeln und aktiv zur Lösung beizutragen.
Das fällt vielen schwer. Aber nochmal, weil es so wichtig ist: Ohnmacht ist kein Schicksal, sondern eine Entscheidung. Genauso wie Eigenmacht.
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