„Was um Himmels willen hat dieses Thema hier zu suchen“, schoss uns durch den Kopf, als wir auf einer Konferenz in Chicago die ersten Sätze einer Rednerin hörten. Das Publikum: 5.000 Menschen aus der Wirtschaft. Die Agenda: typische Leadership-Themen. Die Referentin: Brené Brown, angekündigt als „Forscherin und Geschichtenerzählerin“. Das Thema: Scham. Verletzlichkeit. Ängste. Wirklich? Sollte das unser Signal zum Gehen sein…?
Gut, dass wir noch ein paar Sätze länger blieben
Denn mit jedem der ruhigen, überlegten und humorvollen Sätze, zog uns Brené mehr in ihren Bann. Sie erzählte wirklich Geschichten, vor allem ihre eigene: Wie sie sich ständig selbst in Frage stellte. Wie sie an sich zweifelte. Wie sie sich selbst sabotierte. Wie sie einen Zusammenbruch durchlitten hatte. Wie sie dann gleich nochmal zusammenbrach, weil sie Menschen von ihrem Zusammenbruch erzählt hatte und sich dafür schämte. Und alle im Saal hingen an ihren Lippen. Ob auch nur einer der Zuhörer jemals den Mut besessen hatte, anderen so offen von seinen Zweifeln, Sorgen und Ängsten zu berichten? Brené ist fantastisch!
Selten kamen wir so nachdenklich aus einem Vortrag. Ja, sie hat Recht: Furchtlosigkeit und Mut werden in unserer Welt maßlos überschätzt. Und Verletzlichkeit wird mit Schwäche gleichgesetzt. Der Emotions-Darwinismus auf den Karrierestraßen und den oberen Etagen der Bürogebäude verbietet es, auch nur einen Moment lang anders zu erscheinen als souverän, stark und siegesgewiss. Zweifel an den eigenen Fähigkeiten? Unsicherheit, was die getroffene Entscheidung betrifft? Zögern beim Gedanken an Veränderung? Sich verletzlich zeigen? – Um Gottes Willen! Alles Tabuzonen. Vermintes Gelände. Niemandsland.
Meist totgeschwiegen, aber dennoch vorhanden …
Das Problem ist nur: Diese Gefühle sind Realität! Wer sie leugnet, der schließt auch einen Teil seiner Persönlichkeit weg. Ängste können gar nicht überwunden werden! Angst und Furcht gehören zum Leben – und zum Geschäft – dazu; sie lassen sich nicht ausradieren. Wir können nur mit ihnen weitermachen – und ob wir die Augen vor ihnen verschließen und sie ins Dunkel unserer Persönlichkeit abdrängen, ist unsere freie Entscheidung!
Brené Brown hat uns gezeigt, dass es auch einen anderen Weg gibt: Wir können unsere Befürchtungen, Zweifel und Ängste anschauen und wahrnehmen – und sogar offen darüber reden. Erstaunlicherweise geht die Welt dabei nicht unter. Ganz im Gegenteil: Sich verletzlich zu zeigen ist keineswegs Schwäche, sondern Stärke – und wird auch so wahrgenommen.
Ängste sind wichtig!
Das Wichtigste dabei aus unserer Sicht: Ohne Angst kein Wachstum. Denn keine Angst hast du nur dann, wenn du alles kennst und kannst. Das heißt: Du kannst unmöglich etwas Neues lernen. Sobald du es wagst, dich in unbekanntes Terrain vorzuwagen, hast du einerseits die Chance, Unbekanntem zu begegnen und daran zu wachsen – aber andererseits wirst du Angst vor dem Unbekannten bekommen. Unvermeidlich.
Da gibt’s nur eins: Raus aus dem warmen, kuscheligen, wohlbekannten Raum und raus in die dunkle, kalte, unbekannte Freiheit!
„Tue jeden Tag etwas, das dir Angst macht“, sagte Eleanor Roosevelt. Finden wir auch. Denn genau diese Angst ist der beste Wegweiser im Leben, den wir haben.
P.S. Wie Selbstzweifel uns sogar dabei helfen können, noch erfolgreicher zu werden, erfahrt ihr in unserem Artikel zum Hochstapler-Syndrom.